Teheran geht das Wasser aus - nun will der Präsident die Hauptstadt verlegen

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Wasser- und Stromknappheit, massive Luftverschmutzung, Überbevölkerung: Die iranische Hauptstadt Teheran hat ihre Grenzen erreicht. An der Makran-Küste könnte ihre Nachfolgerin entstehen.

Er ist einer der größten und bedeutendsten Staudämme des Iran. Doch inzwischen steht das Stauwerk Amir Kabir praktisch leer: Nur 14 Millionen Kubikmeter Wasser sind dort noch gespeichert. Das sind gerade einmal acht Prozent seiner Kapazität. Auch andernorts sieht es kaum besser aus: Fünf Dürrejahre in Folge und  das Missmanagement des Regimes haben die größten Wasserreserven im Iran weitgehend geleert. Heute steht die Islamische Republik  vor der schlimmsten Wasserkrise seit Jahrzehnten.

Besonders akut ist die Lage in der Hauptstadt Teheran, die ein Viertel des verfügbaren Wassers im Land verbraucht. Dort, so warnen Experten zunehmend, sei die Versorgung nicht mehr lange gesichert. Präsident Masoud Pezeshkian kündigte am Wochenende bereits drastische Rationierung an  – und stellte sogar eine Evakuierung der Hauptstadt in Aussicht, sollte es nicht bald regnen.

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Ein Trinkwasserbrunnen in Teheran im Juli 2025. Am 8. November wurden wegen der angespannten Dürrelage erneute Trinkwasserbeschränkungen angekündigt.

Hauptstadt soll verlegt werden

Tatsächlich wird eine Verlegung der iranischen Hauptstadt schon lange diskutiert. Denn die Dürre, die auch den Boden absinken lässt, ist längst nicht das einzige Problem, das Teheran an seine Grenzen bringt. Hinzu kommen eine erhöhte Erdbebengefahr, Überbevölkerung, Luftverschmutzung und Strommangel sowie eine unterentwickelte Verkehrsinfrastruktur: allesamt Probleme, die enorme Investitionen erfordern, wie Florian Schwarz, Direktor des Instituts für Iranistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erklärt. Die aktuellen Pläne der Regierung seien durchaus ernst zu nehmen, sagt er zum KURIER. Insbesondere unter Pezeshkian, der im Vorjahr sein Amt angetreten hat, habe das Thema eine neue Dynamik bekommen.

So gab dessen Regierung bereits zum Jahreswechsel ihre Präferenz für einen neuen Standort der Hauptstadt bekannt und setzte zwei Kommissionen ein, die die Planungen prüfen sollen. Eine definitive Entscheidung sei zwar noch nicht gefallen – weder über die Umsiedelung noch über den Ort. Am ehesten würde die Wahl aber nach aktuellem Stand wohl auf die Makran-Küste fallen.

Iran Karte Teheran Makran-Küste

Geopolitische Neuausrichtung

Für sie sprechen mehrere Gründe: Zunächst würde eine Verlegung des politischen und ökonomischen Zentrums Irans an die Küste des Indischen Ozeans eine geopolitische Neuausrichtung signalisieren, so Experte Schwarz: „Die Hafenstadt Chabahar mit ihrem Freihafen, ein Kandidat für die neue Hauptstadt, ist über die letzten Jahrzehnte mit Unterstützung Indiens entwickelt worden. Indien ist unter anderem an einer Alternative zu Verbindungen Richtung Zentralasien, aber auch Europa interessiert, die Pakistan umgehen.“ Die  Makran-Küste ist zudem der einzige Zugang Irans zum offenen Ozean.

Weiters verspricht man sich durch die Verlegung auch wirtschaftliche und infrastrukturelle Impulse für eine der ärmsten Provinzen Irans. Sistan-Belutschistan, wo Makran liegt, ist trotz reicher Rohstoffvorkommen von Armut, Schmuggel und Terrorismus geprägt. In der Region sind seit Jahrzehnten fundamentalistische sunnitische Terrororganisationen aktiv. Zudem war die stark sunnitisch geprägte Region nach dem Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini eines der Zentren der Proteste gegen das Regime. Der aktuelle Präsident Pezeshkian ist unter anderem mit dem politischen Vorhaben angetreten, die Lage in den sunnitisch geprägten Regionen zu verbessern, so Schwarz.

Dazu kommt: Im Laufe der Geschichte wurde Irans Hauptstadt immer wieder verlegt. Auch wenn man dies nicht mit der Verlegung einer modernen Hauptstadt vergleichen kann, gibt es international durchaus Beispiele dafür - sowohl für die Verlegung der Hauptstadtfunktion also auch für die Neuentwicklung von Hauptstädten: Etwa Brasilien, das 1960 seine Hauptstadt von der überfüllten Küste ins Landesinnere verlagerte. Oder Indonesien, das derzeit an der Stadt Nusantara werkelt und dabei jedoch ständig an finanzielle und logistische Probleme stößt.

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Der Amir-Kabir-Damm nahe Teheran ist inzwischen beinahe leer.

Hohe Hürden

Im Iran dürften die Hürden wohl noch weitaus höher liegen: Die Wirtschaft leidet unter massiven Sanktionen, das Land ist international weitgehend isoliert. Viele Experten bezweifeln daher, dass das Regime ein derartiges Mega-Projekt überhaupt stemmen könnte. Auch Schwarz sieht die gewaltigen logistischen und finanziellen Herausforderungen, hält sie bei entsprechendem politischen Willen aber „nicht für unüberwindbar“. 

Zunächst gehe es ohnehin erstmal um die Schaffung eines neuen politischen und ökonomischen Zentrums des Landes – und nicht um eine komplette Umsiedlung Teherans, wie er betont. 

Wie die Bevölkerung zu all dem steht, ist unklar. In weiten Teilen herrscht jedenfalls Frustration darüber, dass das Regime  jahrzehntelang enorme Summen in seine Großmachtambitionen und nicht in die Bedürfnisse der Menschen investiert hat. Die anhaltende Wasserkrise, die viele als (zum Teil) selbst verschuldet ansehen, könnte neue Proteste entfachen, sagen Beobachter. 

Entsprechend läuft die Regime-Propaganda bereits auf Hochtouren. Medial sei die Hauptstadtverlegung im Iran bereits sehr präsent - auch wenn kaum Details bekannt sind, so Schwarz. Viele Artikel heben die  Vorzüge des neuen Standortes hervor, etwa das  touristische Potenzial oder das Klima in der Region: „Offenbar wird bereits versucht, Anreize für eine Übersiedlung zu schaffen.“     

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