Iran: Öl, Mullahs und Überraschungen
Tische mit weißen Tüchern drauf, Tee und Kuchen, Computer und die notwendigen Pressekarten in Plastik-Folie eingeschweißt: Alles da im 11. Stock des Fünf-Sterne Hotels Lale, wo das iranische „Ministeriums für Kultur und Information“ vorübergehend sein Quartier aufschlägt. Das Hotel ist Absteige für Journalisten. Die sollen berichten über eine wichtige Wahl, aber in einem Land, wo es im Gegensatz zu einer westlichen Demokratie ein Informationsministerium gibt - als Helfer und Kontrolleur.
Verhüllte Mitarbeiterinnen dieses Ministeriums, die ich seit Jahren kenne, begrüßen mich freundlich und zugleich misstrauisch wie an meinem ersten Tag im Iran. Und ich komme seit Jahrzehnten auf Reportage.
Willkommen in der Islamischen Republik Iran, wo die Jugend vor vier Jahren massiv gegen Wahlbetrug protestierte und ein hoher Beamter mir damals sagte, wir westlichen Reporter seien daran schuld. Der Westen, heißt die Amerikaner, Europäer, genauso wie Israel. Nirgendwo sonst in der Region werden diese Länder als größere Bedrohung angesehen als hier. Schuld daran sind nicht nur westliche Sanktionen gegen Irans Atomprogramm.
Misstrauen
Das Misstrauen gegen „uns“ ist ein nationaler Sport. Klebstoff einer Nation, die nicht vergisst, wie 1953 Ministerpräsident Mossadegh mit Hilfe der CIA gestürzt wurde oder im iran- irakischen Krieg acht Jahre die andere Seite, der Irak, unterstützt wurde, obwohl damals Saddam Hussein der Angreifer war.
endlich respektieren. Mit uns, sagte eine wütende Iranerin, kann man nicht so umspringen.
Ich wundere mich seither nicht, dass der Hollywoodfilm „Argo“ - Beschreibung der abenteuerlichen Flucht einiger US- Diplomaten am Beginn der Khomenei-Revolution 1979, hier als Propagandawerk angesehen wird. Eine Klage Teherans gegen den Film ist im Gange. Oder warum das angesehene US- Magazin National Geographic Schwierigkeiten im Informationsministerium bekam. Es hat in einem Sonderheft über Iran auf einer Landkarte den „persischen Golf“ als „arabischen Golf“ bezeichnet.
Sowas verzeiht man nicht, in einem Land mit ein paar tausend Jahren Geschichte und dem entsprechenden Stolz.
Irans Präsidentschaftskandidaten, ob Hassan Rohani oder Mohammed Ghalibaf können sich keine Zugeständnisse in „nationalen“ Fragen wie der Atomfrage leisten. Sie wollen es auch nicht. Bei drei TV- Debatten geht es nicht um ein Einfrieren des Atomprogramms, sondern um Taktik bei den bisher erfolglosen Atom- Gesprächen: „Wir müssen unsere Beziehungen zum Rest der Welt erleichtern“ , sagt der Reform-Geistliche und Ex- Atom-Unterhändler Rohani. Weder er sein Nachfolger als Unterhändler, Jalili, will das umstrittene Programm beenden. Laut Iran hätte das zivile und keine militärische Ziele, sprich man wolle Atomkraftwerke bauen, aber keine Atomraketen.
Die Kandidaten im Überblick
Nicht nur in dieser Frage hat der Westen Zweifel. Wie demokratisch ist die Wahl am Freitag, wenn der oberste Wächterrat hunderte Kandidaten, darunter alle Frauen, nicht einmal antreten lässt? Obwohl, selbst in den Fernseh- Debatten wird die Frauenfrage nicht ausgeklammert. Der fundamentalistische Jalili sagt da, Hausfrau- und und Müutter seien ideale Jobs für Frauen. Am Tag danach lässt er aber verlautbaren, seine Gattin sitze nicht nur daheim, sondern in einer Ordination. Sie sei Ärztin. Offenbar will Jalili Wählerinnen nicht vergrämen.
Einer der „Reform- Kandidaten“, Mohammed Aref - inzwischen zurückgetreten - zeigte seine Ehefrau bei Wahlauftritten demonstrativ her. Er erinnerte damit deutlich an die hochaktive Frau des Kandidaten Hussein Mussavi vor 4 Jahren.
Eine Erinnerung, deutlich und schmerzhaft: insbesondere für Irans Jugend. Als ich im Juni 2009 junge Frauen und Männer, die meisten aus der Mittelschicht, beobachtete, wie sie zu tausenden auf die Straße gingen für mehr Freiheit, schien, als wäre ein neues Kapitel der Islamischen Republik Iran im Entstehen. Entgegen der offiziellen Darstellung waren daran nicht wir Reporter schuld, sondern die Unzufriedenheit über Ahmadinejads angeblichen Wahlbetrug. Bis heute weiß man nicht, ob er gewonnen hatte oder der Reform-Kandidat Mussavi, der seither unter Hausarrest sitzt.
Zum Glück wurden damals die Proteste weniger brutal niedergeschlagen als die heute in Syrien. Laut Opposition seien mindesten 60 Menschen umgekommen. 5000 seien verhaftet worden.
„Freilassung aller politischen Gefangenen! Aller! “ höre ich nun bei einer von Arefs Wahlkampfauftritten eine Rednerin schreien. Es ist einer der wenigen öffentlichen Kundegebungen, denn der Wahlkampf findet diesmal auf Anordnung der Regierung vor allem im Fernsehen statt - um neue Kundgebungen zu verhindern, sagen Kritiker.
Geschichte wiederholt sich
In Arefs Sporthalle tobt es allein beim Wort „ politische Gefangene“. Um die fünftausend Jugendlichen sind da - eine beeindruckende Zahl, bedenkt man wie viele Blogger, Studenten und einheimische Journalisten allein in den vergangenen Wochen verhaftet wurden. Darunter Leute, die nach den Unruhen 2009 festgenommen und wieder freigelassen wurden. Jetzt bekamen sie neue polizeiliche Vorladungen während des Wahlkampfes ins Gefängnis zurückzukehren, schreibt die Organisation „Reporter ohne Grenzen“.
Die Niederschlagung von 2009 hat ihre traurige Wirkung nicht verfehlt. Eine Generation von „Rebellen“, die zwischen 20 und 30, ist unsichtbar. Bei vielen hat die Repression zu Angst, Frust und Enttäuschung geführt. Wer konnte, ging ins Ausland. Allein ich werde innerhalb einer Woche von 5 verschiedenen Jugendlichen um ein Schengen- Visum gebeten.
Auch in Teheran bleibt die Welt nicht stehen. Die nächste Generation sieht alles andere als brav aus und ist auf den großen Boulevards im Norden und im Zentrum nicht schwer zu erkennen. Sobald ich einen sehe, der einen Haarschnitt hat wie ein Rocker aus London, weiß ich, der würde alles lieber als einen wie Jalili oder Galibaf als nächsten Präsidenten haben. Ein Ahmadinejad genügt uns!, sagt mir ein Student.
Die Anti-Jalili und Anti-Galibaf Mädchen sind noch auffälliger mit ihren gewagten Kopftücher. Kopftücher sind Pflicht für alle Frauen in Iran, auch für Ausländerinnen. Doch die Tücher der Studentinnen und Verkäuferinnen, die ich meine, könnten man genauso gut als modischen Haarschmuck bezeichnen: Es sind bunte Flecken, befestigt nur auf den hinteren Teil der turmhochtoupierten Haare- der letzte Schrei in Teheran.
Seit ich Anfang der Achtziger Jahre zum ersten Mal in Iran war, frage ich mich, wieviele jedem Trend im Westen folgen und wieviele nicht? Die einzige Antwort darauf: Es kommt darauf an, wo man in Teheran herumspaziert.
Eine Frage des Standorts
Im Osten der Stadt mit seinen Betonbauten und seinen Einkaufszentren voller Billig-Waren aus China leben kleine Beamte und Geschäftsleute, meint meine Übersetzerin, als wir dort einen Auftritt des konservativen Kandidaten Mohsen Rezai beobachten. Da sind wir im Kerngebiet der Islamischen Republik, die es trotz der Sanktionen schafft, ihre Basis zu versorgen- dank Ölmilliarden, die weiter in die Staatskasse fließen und verteilt werden. Frauen in Tschador, Männer mit kurzen Bärten sind anwesend: „ Wir wollen keine Revolution“, sagen sie mir so freundlich wie die Mitarbeiterinnen des Informationsministeriums und genauso misstrauisch. Obwohl, einige Minuten später bietet mir einer Getränke an. Und dann bin ich Objekt der Neugierde für alle. Ausländer sind heute in Iran kaum mehr außerhalb von Wahlzeiten zu sehen.
Das bescheidene Ost-Teheran, das ärmere Süd-Teheran und den Rest des Landes zur Wahlurne zu bringen, wird am Freitag Aufgabe der mächtigen „islamischen Jugend“, der Basiji sein. Die Revolutionswächter, die Pasdaran, werden ebenfalls aktiv sein. Vor vier Jahren waren Proteste die Hauptgefahr. Jetzt sind es leere Wahllokale. Händler im Bazar, normalerweise eine Stütze des Regimes sagen mir, sie würden am Wahltag alles tun, außer wählen. Man sei enttäuscht wegen der Wirtschaftslage. Andere haben Angst, mit mir überhaupt zu sprechen.
Wahltag in Iran ist Tag der Erinnerung an ein geteiltes Land, in Reformer und Konservative. In Politiker, die eine moderne Islamische Republik - wie diesmal Rohani- wollen und solche, die Traditionen vorziehen wie Khalibaf oder Jalili.
Die Abschaffung der „Republik Allahs“ zu fordern, wagt keiner der Kandidaten. Der Zorn des Obersten Führer Mohammed Khamenei und anderer würde ihn treffen. Überraschungen sind hingegen möglich. Gute für den Westen wie 1997 als plötzlich der lächelnde Ayatollah, Khatami gewählt wurde. Weniger gute wie 2005 als ein unbeachteter Kandidat namens Achmedinajad Präsident des Iran wurde.
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