Angriff auf Iran: Wie groß ist das Risiko einer nuklearen Katastrophe?

Zentrifugen in der iranischen Atomanlage in Natanz
Begraben unter hartem Felsgestein und massivem Stahlbeton, mehr als 200 Meter unter der Erde, und umgeben von nun schon teils zerstörten Luftabwehrsystemen liegt unweit der Stadt Ghom das Herz des iranischen Atomprogramms. Die unterirdische Anlage Fordo ist so konzipiert, dass sie sämtliche israelische Angriffe unbeschadet überstehen - und in aller Heimlichkeit die für Atomwaffen nötige Urananreicherung vorantreiben kann.
Bisher, so berichtete es der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Rafael Grossi, diese Woche, wurden noch keine Schäden aus Fordo gemeldet. Doch umso heftiger nimmt Israels Luftwaffe die Brennstoffanreicherungsanlage von Natanz ins Visier - oberirdische Teile der Anlage wurden bereits teils in Trümmer geschossen: „Die elektrische Infrastruktur der Anlage, zu der ein Umspannwerk, ein Gebäude zur Hauptstromversorgung sowie eine Notstromversorgung und Backup-Generatoren gehörten, wurde ebenfalls zerstört“, sagte Grossi.

Auch nahe Arak, südwestlich von Teheran, hat die israelische Armee einen Schwerwasser-Reaktor getroffen, das wurde am Donnerstag bekannt. Schweres Wasser hilft bei der Kühlung von Kernreaktoren, erzeugt aber als Nebenprodukt Plutonium, das potenziell auch für Kernwaffen verwendet werden kann.

Raphael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO
Immer wieder hat der Chef der in Wien angesiedelten IAEO gewarnt - und das schon seit Beginn des Ukraine-Krieges, als die russische Armee das AKW Saporischja eroberte - und mehrmals auch beschossen hatte: "Kerntechnische Anlagen dürfen niemals angegriffen werden, unabhängig von den Umständen."
Könnte es zu einer atomaren Verstrahlung oder gar zu einer Katastrophe kommen, wenn Israel seine Angriffe fortsetzt?
Israel ist offenbar entschlossen, das Atomwaffenprogramm des Iran weitestgehend zu zerstören. Dafür werden sämtliche, auf das ganze Land verstreute Anlagen attackiert - die Regierung von Premier Benjamin Netanjahu will unbedingt verhindern, dass der Gottesstaat den Bau von Nuklearwaffen vollenden kann.
Nicht im Visier der israelischen Angriffe: das Atomkraftwerk Bushehr, das nachweislich nur zur Produktion von Energie dient, und die nuklearen Forschungsreaktoren im Land. Was Israel hingegen unbedingt zerstören will, sind die Uran-Anreicherungsanlagen in Natanz und Fordo.
In beiden Anlagen befindet sich das Uran in Zentrifugen unter der Erde. Diese Zentrifugen zu vernichten, würde in keinem Fall zu einem Super-GAU führen. Denn Uran sollte zwar nicht in die Umwelt gelangen, weil es für Menschen zur Gefahr wird, wenn es eingeatmet oder durch die Nahrung aufgenommen wird. Es ist giftig, strahlt aber nur relativ schwach radioaktiv.

Die Atomanlage Natanz: Massive israelische Angriffe
Die Annahme lautet also: Selbst wenn die israelischen Bomben einen Volltreffer landen würden, wären die Folge von Verstrahlung nur auf die nächste Umgebung von Fordo und Natanz beschränkt.
Wurde schon erhöhte Strahlung irgendwo im Iran festgestellt?
Die unterirdische Kaskadenhalle in Natanz, in der sich die Hauptanlage zur Brennstoffanreicherung befinden, blieb bisher ohne Schäden. Der Stromausfall in der Halle könnte jedoch die dortigen Zentrifugen beschädigt haben, mutmaßt man bei der IAEO. Die Radioaktivität außerhalb des Natanz-Geländes blieb aber bisher unverändert.
Wo wurden noch Schäden gemeldet?
Auf dem Atomgelände in Isfahan wurden bisher vier Gebäude beschädigt: das Chemielabor, eine Uran-Konversionsanlage, die Anlage zur Herstellung von Brennstoff für den Teheraner Reaktor und eine noch im Bau befindliche Anlage. Wie in Natanz blieben die Strahlenwerte bis dato unverändert.
Wo liegt also die größte Gefahr?
Richtig gefährlich wird es, wenn es zu Kernspaltung kommt - also in einer Atombombe oder einem Atomreaktor. Wobei hier wiederum Spaltprodukte wie Cäsium oder Strontium sehr viel stärker strahlen als Uran. Diese hochradioaktiven Abfallprodukte der Uranspaltung können Hunderttausende Jahre radioaktiv blieben.
Gelangen diese Spaltprodukte in die Atmosphäre, würden auch Irans Nachbarn Strahlung abbekommen. Atomkraftwerke wie etwa Bushehr im Iran oder Saporischja in der Ukraine sind meist von einem gewaltigen Stahlbetonmantel geschützt. Eine fehlgeleitete Bombe allein würde also nicht zu den Reaktoren vordringen - und eine Katastrophe auslösen. Eine viel größere Gefahr gehe da schon von Forschungsreaktoren aus, meinen Experten. Dort sei der Schutz nicht so massiv, andererseits wäre auch das Strahlenrisiko bei einem Bombentreffer geringer.
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