Iraks Kurden fordern eigenen Staat

Präsident Barzani kündigt Unabhängigkeitsreferendum an
Den Kurden reicht die Autonomie nicht mehr, sie kündigen Unabhängigkeitsreferendum an.

Was geht uns das Chaos in Bagdad an? Wir sind ein eigener Staat", sagte ein Kurde aus dem nordirakischen Erbil vor einigen Wochen gegenüber dem KURIER. Das soll nach Meinung von Präsident Massud Barzani bald auch offiziell und formal so sein: Er kündigte am Dienstag ein Unabhängigkeitsreferendum innerhalb der nächsten Monate an. Denn der Irak sei ohnehin schon jetzt geteilt, und ein eigener Staat für die Kurden im Nordirak sei ein "natürliches Recht", betonte Barzani in einem BBC-Interview. In Richtung Türkei, Syrien und Iran, wo kurdische Minderheiten leben, beteuerte Barzani: "Wir werden für niemanden eine Bedrohung sein." Der kurdische Nordirak genießt bereits weitgehende Autonomierechte.

Streit in Bagdad

Barzanis Referendums-Ankündigung ist zeitlich gut gewählt. Am Dienstag endete die erste Parlamentssitzung in Bagdad nach den Wahlen im Streit um die Wahl des Parlamentspräsidenten und musste vertagt werden. Der viel kritisierte schiitische Premier Nuri al-Maliki macht keine Anzeichen, für eine Einheitsregierung der Sunniten, Schiiten und Kurden weichen zu wollen. Und derweil erobert die radikal-sunnitische ISIS, die am Sonntag ein Kalifat ausgerufen hat, einen irakisch-syrischen Grenzort.Außerdem wissen die Kurden einen Unterstützer von unerwarteter Seite hinter sich: Israel. Erst am Montag hatte Premier Netanyahu wissen lassen: "Wir unterstützen das Streben der Kurden nach Unabhängigkeit." Die Kurden und ihre kampferprobten Peschmergas sollen mithelfen, Jordanien vor der ISIS zu beschützen und damit stabil zu halten. Netanyahu: "Wir müssen in der Lage sein, den Terrorismus und Fundamentalismus, der uns von Osten bedroht, am Jordanfluss zu stoppen – und nicht erst in den Vororten von Tel Aviv."

Zwei Tage nach der Ausrufung eines "Islamischen Kalifats" hat der Chef der Terrorgruppe ISIS/ISIL Rache für Unrecht an Muslimen angekündigt. "Selbst wenn es eine Weile braucht, wir werden uns rächen (...)", sagte Abu Bakr al-Baghdadi am Dienstag in einer Audiobotschaft, die über das Internet verbreitet wurde.

Etwa 20 Minuten

Er rief die Muslime auf, in den "Heiligen Krieg" zu ziehen und einen islamischen Staat aufzubauen. Es gebe keine Tat, die besser sei als der Dschihad. "Steht auf und erhebt Euch", forderte er. Zugleich verhöhnt der ISIS-Chef Frieden, Freiheit, Demokratie und Säkularismus als "irreführende Slogans" von Ungläubigen. Zeitgleich mit der Audiobotschaft verbreitete ISIS im Internet Übersetzungen des Textes, darunter auch eine auf Deutsch.

Die sunnitische Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (ISIS) hatte am Sonntag in einer Audiobotschaft die Errichtung eines Islamischen Reiches in den beiden Ländern verkündet. Zugleich benannte sie sich in "Islamischer Staat" (IS) um. ISIS-Kämpfer beherrschen einige Teile des Bürgerkriegslandes Syrien. Auch im Irak sind sie auf dem Vormarsch. Dort kontrollieren sie große Teile des Nordens und Westens des Landes.

Die islamistischen Rebellen im Irak und in Nigeria greifen nach Angaben der Vereinten Nationen verstärkt gezielt Kinder an. "ISIS ist schon seit 2011 ständig in unseren Berichten", sagte die UN-Beauftragte für Kinder in Kriegen, Leila Zerrougui, am Dienstag in New York über die Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS).

"Diese Gruppe hat schon immer Kinder und gezielt auch Schulen und Krankenhäuser angegriffen. Wir beobachten aber, dass das in den letzten Monaten verstärkt geschieht." Nach ihren Angaben wurden im vergangenen Jahr im Irak 248 Kinder getötet. Auch die islamistische Gruppe Boko Haram in Nigeria habe Angriffe auf Schulen ausgeweitet. "Das war im vergangenen Jahr so und hat sich in diesem Jahr unvermindert fortgesetzt. Für Boko Haram ist das einfach ein Teil ihrer Offensive", sagte die Algerierin. "Die Vereinten Nationen können die unbeschreibliche Gewalt nicht genug verurteilen."

Zerrouguis Jahresbericht 2013 listet 23 "besorgniserregende Fälle" auf, in denen Kinder Ziele von Angriffen, als Soldaten eingesetzt, gefoltert oder vergewaltigt wurden. Das betreffe 59 Parteien in 14 Ländern. Nur acht sind Regierungen, 51 sind Rebellengruppen. Besonders bedrohlich sei die Situation in Syrien und im Irak, im Südsudan, in der Zentralafrikanischen Republik und in Nigeria.

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