Österreicher aus Kampfgebiet im Irak gerettet

Militäreinsatz für Siemens-Mitarbeiter: 50 Techniker konnten in Sicherheit gebracht werden.

Tagelang wurde hektisch zwischen den Krisenteams in Berlin, Wien und anderen Hauptstädten telefoniert. Alles drehte sich um die Frage, wie 50 Siemens-Techniker – darunter ein Österreicher und acht Deutsche – aus der Gefahrenzone in der Stadt Baiji, 200 Kilometer nördlich von Bagdad, herausgeholt werden können. Die Ingenieure waren vorige Woche von der Offensive der ISIS-Milizen überrascht worden. Ihr Glück: Die Kämpfer, die für ihre Brutalität und Geiselnahmen berüchtigt sind, durchsuchten nicht das Gelände des Kraftwerkes, auf dem sich die Siemens-Mitarbeiter versteckt hatten. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch auf dem Landweg konnten sie schließlich am Sonntag laut Spiegel online von irakischen Armeehubschraubern und einem von Siemens gecharterten Privatjet in Sicherheit gebracht werden. In Erbil, im kurdischen Nordirak, warten sie jetzt offenbar eine Entscheidung von Siemens ab, wie es weitergehen soll.

"Wir haben mit dem Österreicher gesprochen. Es geht ihm gut", sagt Außenamtssprecher Martin Weiss und bestätigt dem KURIER die enge Kooperation mit dem deutschen Krisenteam sowie mit Siemens. Erst am Dienstag, als klar war, dass alle Techniker in Sicherheit sind, sei die Information frei gegeben worden.

Bei Siemens Österreich gibt man sich dennoch weiter ziemlich zugeknöpft. "Ja, es war ein Österreicher dabei. Wer er ist, ob er im Irak bleibt oder nach Hause kommt – das entzieht sich meiner Kenntnis", sagt Konzernpressesprecher Walter Sattlberger dem KURIER. Auch über den Ablauf der Rettungsaktion schweigt er sich aus. "Sie müssen bedenken, dass viele internationale Unternehmen in der Raffinerie-Stadt Baiji tätig sind. Wir wollen niemanden gefährden." Das Projekt, an dem die Siemens-Techniker in Baiji gearbeitet haben, sei jedenfalls vorerst auf Eis gelegt, so Sattlberger.

In Baiji, wo die wichtigsten Ölraffinerien des Landes stationiert sind, tobten am Dienstag weiter Kämpfe zwischen den Extremisten und Armeeangehörigen. Die größte Raffinerie wurde nach Angaben von Mitarbeitern geschlossen. Der Ölpreis auf den internationalen Märkten ist bereits gestiegen.

Luftangriffe

Bagdad rüstet sich derweil für den Ernstfall: Die Behörden riefen die Menschen auf, mit Benzin, Strom, Lebensmitteln und Wasser sparsam umzugehen. In Mossul, das vor einer Woche von der Terrorgruppe ISIS überrannt worden war, gibt es akuten Trinkwassermangel. Auch den Bewohnern von Tikrit, der Heimatstadt des gehenkten Diktators Saddam Hussein, fehlt es an Treibstoff, Strom und Wasser. 1,2 Millionen Iraker sind laut UNO auf der Flucht. Die Luftwaffe soll am Dienstag im Raum Tikrit, Bakuba, Kirkuk und auch Bagdad Luftangriffe auf die Extremisten geflogen haben. Das Verteidigungsministerium verkündete zudem, dass sich bereits mehr als zwei Millionen Freiwillige für den Kampf gegen die ISIS gemeldet hätten. Im Iran haben sich zudem 5000 Freiwillige bereit erklärt.

Die US-Regierung schickt 275 Elitesoldaten in den Irak. Sie sollen die US-Amerikaner in Bagdad schützen und seien auch für den Kampf gerüstet, sagte Präsident Obama.

Für den Nahost-Experten Michael Lüders ist das nur ein erster Schritt. Er geht davon aus, dass US-Militärschläge auf ISIS-Stellungen im Irak bereits in Vorbereitung seien.

Der Applaus für die islamistischen Terror-Brigaden der ISIS kam diesmal von einer gänzlich unerwarteten Seite. Saddam Husseins Tochter setzte aus ihrem jordanischen Exil Jubelmeldungen ab – und die galten vor allem einem Mann. Nur "Onkel Izzat", erklärte sie in einer Zeitung, seien diese Siege zu verdanken. Diesen Onkel Izzat, auch wenn er natürlich nicht wirklich ein Verwandter ist, kennt Saddam-Tochter Raghad von Kindesbeinen an. Er war einst mächtigster General und rechte Hand ihres Vaters. Bis heute leitet er die heute verbotene Baath-Partei, Saddam Husseins einstige Machtbasis. Al-Douri hatte viele Jahre auch enge Beziehungen zu Österreich. Diverse Leiden ließen ihn wiederholt zu langwierigen medizinischen Behandlungen nach Österreich und da vor allem nach Kärnten reisen. Jörg Haider knüpfte über ihn die Kontakte, die ihn schließlich 2002 in den Irak und zu Saddam persönlich führten.

Zwei Jahre lang soll al-Douri für die ISIS die Operation im Irak geplant haben. Islamist oder fanatischer Moslem ist der Offizier aber keineswegs. Doch für den Krieg gegen die verhassten Schiiten ging der Saddam-Mann das Zweckbündnis ein.

Wenn er auftaucht, ist klar, wer von da an militärisch das Sagen hat. Qassim Suleimani kommandiert die vermutlich schlagkräftigste Truppe des Mullah-Regimes in Teheran, die Al-Quds-Brigaden. Sie sind Teil der Revolutionsgarden, jener paramilitärischen Einheit, die direkt Revolutionsführer Ali Khamenei untersteht. Die Al-Quds-Brigaden sind auf Auslandseinsätze spezialisiert – und von denen gab es in den vergangenen Jahren mehr als genug. Libanon, Syrien und zuletzt Irak: Überall, wo Teheran politische Verbündete unterstützt, kommen die Brigaden zum Einsatz.

Sie seien, wie ein britischer Militär erklärt, Geheimdienst, Elite-Truppe, Waffenlieferant und Entwicklungshelfer zugleich. Suleimani koordiniert diese Einsätze vor Ort – und das seit vielen Jahren. Unmittelbar vor der US-Invasion im Irak 2003 beriet er die schiitischen Milizen im Irak. Er tauchte regelmäßig in Beirut an der Seite von Kommandeuren der schiitischen Hisbollah-Miliz auf. So organisierte er den Einsatz von Al-Quds-Kämpfern an der Seite der Hisbollah in Syrien. Jetzt sitzt er in Bagdad und organisiert die Unterstützung für Premier al-Maliki und dessen schwächelnde irakische Armee.

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