"Wir ersetzen menschliche durch digitale Arbeit – aber Bots zahlen keine Steuern"

Humanoider Roboter
USA und China preschen voran, und Europa wird sich in seiner KI-Entwicklung an beiden orientieren müssen, meint KI-Experte Atilla Ceylan. Vor allem aber: Wie wird KI die Gesellschaft verändern?

Eben erst zurück von einer Reise nach China, weiß der erfolgreiche Wiener Start-up-Gründer, Unternehmer und KI-Experte Atilla Ceylan: An Kooperationen mit China auf dem Sektor der Künstlichen Intelligenz wird Europa nicht vorbeikommen – wenn die EU nicht vollkommen von den USA abhängig werden will. Doch Europa, auch Österreich, wird sich darauf einstellen müssen, dass sich die gesamte Gesellschaft mit mehr KI-Gebrauch grundsätzlich verändern wird.

KURIER: Welche Herausforderungen sehen Sie generell mit mehr KI auf uns zukommen? 

Wir ersetzen menschliche durch digitale Arbeit – doch digitale Arbeitskräfte zahlen keine Steuern. Mit einem Steuersystem aus dem 19. Jahrhundert lassen sich diese Entwicklungen nicht bewältigen. Wir müssen vorausschauen: Was bedeutet die Verlagerung von Wertschöpfung für unser Land? Wo entsteht künftig unser Wohlstand? Die Gefahr ist groß, dass die USA hier Fakten schaffen, die Europa dann nur noch akzeptieren kann.

China gilt als KI-Vorzeigeland. Muss sich Europa also nicht nur an den USA, sondern auch an China orientieren?
Wir beobachten China sehr genau. Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern –  siehe Zölle und Auflagen – sind gefährlich. Der europäische AI-Act zwingt uns derzeit zu US-Anbietern wie Microsoft, Amazon, OpenAI oder Oracle. Diese Abhängigkeit wird wirtschaftlich und politisch langfristig problematisch. Mit KI und Automatisierung sollen menschliche Arbeitskräfte ersetzt werden – doch das bringt auch steuer- und gesellschaftspolitische Fragen.

Und dann kommt noch der Zollstreit mit den USA dazu…
Schon nur bei einer laut angedachten, möglichen Digitalsteuer auf Google, Facebook oder Amazon drohen die USA mit Gegenmaßnahmen. Im KI-Bereich wird das nicht anders sein. Deshalb brauchen wir in Europa  digitale Souveränität, und die geht nur mit Wettbewerb und Alternativen.

Bedeutet das, dass China als Partner unumgänglich wird?
Digitale Souveränität heißt, Chips und Basismodelle bis zur praktischen Anwendung in Europa entwickeln zu können.

Davon sind wir in Europa derzeit leider weit entfernt. Kurzfristig bleibt nur die Diversifizierung der Partner. Nur amerikanische Anbieter zu haben, das bedeutet, ohne Hebel zu sein..

Wie könnte eine Zusammenarbeit mit China aussehen?
Wie im Telekom-Bereich braucht es kalkuliertes Risiko. Nur von Nvidia und amerikanischen Chips abhängig zu sein, gibt weder Sicherheit noch Garantien für unsere Industrie. Zwar hängt auch China bei High-End-Chips von den USA ab, doch die eigene Entwicklung schreitet rasch voran.

Und die politischen Hindernisse?
Dass europäische Daten in China verarbeitet werden, ist inakzeptabel – aber das gilt genauso für andere Nicht-EU-Staaten. Europa muss auf Souveränität und Datensicherheit bestehen.

Droht Europa im KI-Bereich endgültig den Anschluss zu verlieren?
In der Grundlagenforschung ist Europa, speziell Österreich, stark. Large-Language-Modelle gehen auch auf Arbeiten heimischer Forscher zurück. Was wir nur hier wieder nicht geschafft haben, war die Überführung in Business-Modelle oder in funktionierende Firmen, also Anschlussfinanzierungen. Wir haben zwar ein starkes Förderwesen, wo wir ein paar Hunderttausend Euro für akademische Forschung bekommen oder ein, zwei Millionen für Kooperationen im universitären Umfeld mit Unternehmen.

Aber wenn man im großen Spiel mitspielen will und im KI-Bereich ein Unternehmen aufbauen möchte und 10, 20, 100 Millionen aufstellen muss, um erfolgreich zu sein, kommt man in Europa, in Österreich sowieso, sehr schnell an die Grenzen.

Auch auf EU-Ebene?
Die EU investiert Milliarden in KI, doch im Vergleich sind die Dimensionen gering: TikTok etwa ordert Chips für 5 Milliarden Dollar – und TikTok ist nur eine App, die Video abspielt.

Was kann Österreich tun?
Die USA ziehen Talente ins Silicon Valley, China schöpft aus einer riesigen Bevölkerung mit starker Förderung.

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IT-Experte, Start Up-Gründer, Unternehmer Attila Ceylan

Österreich hingegen verliert Fachkräfte: Talente gehen im System unter oder wandern aus. Wir brauchen mehr spezialisierte HTLs und Fachhochschulen, die Akademie und Wirtschaft verbinden. Heute gibt es über 50 HTLs, aber nur rund zehn mit IT-Schwerpunkt. In Wien stehen sehr viele Bewerber nur sehr viel weniger Ausbildungsplätzen gegenüber. Ohne Ausbau dieser Strukturen verlieren wir den Anschluss.

Und inhaltlich – was muss gelehrt werden?
Neue Technologien wie KI, Automatisierung oder Robotik müssen in die Lehrpläne.In Österreich war dem „Ingenieur noch nie was zu schwör“.

Wir haben die Talente, das war ein Garant für unseren wirtschaftlichen Aufstieg und unseren Erfolg. Aber das drehen wir ab, unsere Ingenieure lernen die aktuellen neuen Themen nicht.

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