Interpol-Wahl: Wie ein "Fuchs im Hühnerstall"

Interpol-Wahl: Wie ein "Fuchs im Hühnerstall"
Alexander Prokoptschuk (l.) könntel neuer Interpol-Chef werden. Die mögliche Wahl des Russen sorgt für massive Kritik

Alexander Prokoptschuk ist kein Mann, der die erste Reihe liebt. Er ist einer, der sich in seiner dekorierten Uniform sichtlich wohler fühlt, als in Anzug und Krawatte. Und er ist einer, der bisher in den Augen des Kreml seinen Job bestens gemacht hat. Leiter des Interpol-Büros in Moskau ist er und zugleich einer von vier Vize-Präsidenten der internationalen Polizeiorganisation. Jetzt aber könnte der 56-Jährige vor der Krönung seiner Polizei-Karriere stehen. Eine Krönung, die international für reichlich Rumoren sorgt.

Denn wenn die Delegierten am heutigen Mittwoch in Dubai über die neue Führung der Organisation abstimmen, gilt Prokoptschuk als aussichtsreichster Kandidat für den Interpol-Generalsekretär. Dass ein Neuer an der Spitze stehen wird, ist dabei fix, war der bisherige Generalsekretär, der Chinese Meng Hongwei, doch Ende September in China verschwunden. Im Oktober hatte er Interpol seinen Rücktritt bekanntgegeben. Von ihm fehlt seither jede Spur.

 

Dass jetzt ein Russe an die Spitze der Organisation aufrücken könnte, hat schon im Vorfeld eine Welle der Kritik erregt. Vor allem wegen eines besonderen Instruments der Organisation: der so genannten „red notice“, ein dringliches Ansuchen einer nationalen Polizeibehörde auf Festnahme einer Person in einem anderen Land. Es war vor allem Russland, das in den vergangenen Jahren mit eben solchen „red notices“ Regimegegnern nachgestellt hat. Letztverantwortlicher für solche dringlichen Anfragen auf russischer Seite war dabei als Leiter des Interpol-Büros in Moskau er: Alexander Prokoptschuk.

Zwar ist es nicht so, dass eine „red notice“ einem internationalen Haftbefehl gleichkommt, aber Scherereien kann eine solche durchaus bescheren. Der bekannte Putin-Kritiker William kann davon ein Lied singen. Auf den einstigen Großinvestor in Russland hatte Moskau in den vergangenen Jahren insgesamt sechs solche Anfragen ausgestellt. Zuletzt war er im Mai in Spanien zwischenzeitlich wegen einer solchen Anfrage festgenommen worden.

Interpol-Wahl: Wie ein "Fuchs im Hühnerstall"

William Browder: der ehemalige Großinvestor und Putin-Fan ist heute ein führender Kritiker des Kreml-Chefs.

Das Interpol-System sieht vor, dass alle „red notices“ geprüft werden. Laut Interpol-Verfassung sind solche Ansuchen nicht erlaubt, wenn sie politisch, militärisch, religiös oder rassistisch motiviert sind. Interpol kann sich also gemäß eigenem Statut weigern, eine „red notice“ auszustellen. Dieses System war erst vor zwei Jahren verschärft worden.

Im Fall William Browders und anderer russischer Regime-Kritiker hatte dieses System bisher einigermaßen funktioniert. Auch wenn manche Betroffene tagelang einsaßen und in Folge monatelange Rechtsstreitigkeiten ausfechten mussten. Etwa der russische Umweltaktivist Petr Silaew, den die russischen Behörden wegen Rowdytum auf die Suchliste gesetzt hatten. Dabei hatte er nur demonstriert.

 

Diese Praxis Russlands sorgt bereits seit geraumer Zeit für massive Kritik. So hatten parteiübergreifend mehrere britische Parlamentarier bereits im Juni – da war von einer Wahl Prokoptschuks noch nicht die Rede – in einem Brief Innenminister Sajid Javid aufgerufen, sich dafür einzusetzen, Russlands Zugriff auf die Interpol-Datenbank zu suspendieren.

Jetzt sehen Kritiker das System an sich in Gefahr: In einer ebenfalls parteiübergreifenden Stellungnahme kritisierten US-Abgeordnete die mögliche Wahl Prokoptschuks und verglichen diese damit, einen Fuchs in einen Hühnerstall zu stecken. Der ukrainische Innenminister Arsen Awakow rief gar dazu auf, Interpol zu verlassen, sollte Prokoptschuk gewählt werden. Eine Möglichkeit, die er als „absurd“ bezeichnete. Kritisch äußerte sich auch der russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny.

 

Interpol-Wahl: Wie ein "Fuchs im Hühnerstall"

Die russische Staatsanwaltschaft erhebt neue Vorwürfe gegen William Browder.

Zusätzlich an Fahrt gewinnt die Debatte durch erst diese Woche von der russischen Generalstaatsanwaltschaft neu vorgebrachte Vorwürfe gegen Browder. Demnach habe Browder eine „transnationale kriminelle Gruppe“ angeführt und seinen Anwalt Sergei Magnitsky selbst vergiftet. Von einem Strafmaß bis zu 20 Jahren ist die Rede.

Browder war seit den 90er-Jahren Investor in Russland und zuletzt, vor 2005, der größte ausländische Investor in dem Land. 2005 war ihm dann die Einreise verweigert worden, weil er eine „Gefahr für die Nationale Sicherheit“ darstelle. Auslöser des Konflikts war seine zunehmende Kritik an korrupten Behörden und Politikern. Vor allem sein Anwalt Sergej Magnitsky hatte dazu Recherchen angestellt. 2008 wurde Magnitsky verhaftet. 2009 starb er in Haft. Unterschiedliche Berichte sprechen von schwerer Folter und/oder unterlassener Hilfeleistung in einer medizinischen Notlage. Browder lobbyierte in Folge in den USA für personenbezogene  Sanktionen, den sogenannten Magnitsky Act, der 2012 in den USA abgesegnet wurde. Umgesetzt wurden ähnliche Gesetze in Folge in Kanada, Estland, Litauen und Großritannien. Auch das EU-Parlament votierte dafür.

Welchen Stellenwert Browder für Moskau hat, zeigt die Pressekonferenz  von Kremlchef Wladimir Putin mit US-Präsident Donald Trump in Helsinki im Juli 2018. Dabei schlug Putin vor, Moskau könne den USA bei Ermittlungen zu Wahlmanipulation helfen, sollte man selbst Zugriff auf von Russland gesuchte Personen erhalten. Namentlich nannte er Browder.

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Trump und Putin in Helsinki: Der Kremlchef machte dem US-Präsidenten ein heikles Angebot.

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