In Israel regt sich Widerstand gegen die rechtsrechte Regierung

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Viele Minderheiten befürchten Diskriminierung durch das Kabinett unter Premier Netanyahu, das am Donnerstag angelobt werden soll.
aus Tel Aviv Norbert Jessen
"Niemand wird durch unser neues Koalitionsabkommen diskriminiert werden", versprach Israels neuer Premier Benjamin Netanyahu klar und deutlich vor der Angelobung seiner neuen Regierung. Was vom Abkommen bisher durchsickerte, lässt aber das Gegenteil befürchten. Seine neuen Partner von der rechtsextremen Zionismus-Liste wollen diskriminieren.
Wobei sie ihre Forderungen nicht nur in das neue Koalitionsprogramm schrieben. Sie sicherten diese bereits als neue Gesetze im Parlament ab. Ist Netanjahu doch dafür bekannt, selbst schriftliche Abmachungen zu brechen. Listen-Chef Bezalel Smotrich sagte es ganz offen: "Netanyahu ist ein Lügner."
Der alte Politfuchs Netanyahu zimmerte eine Koalition, die im In- und Ausland niemanden kalt lässt.
Der Premier machte seinen Koalitionspartnern so viele Zugeständnisse, dass seine eigene Partei mit den wenigen ihr verbliebenen Ministerien frustriert ist. Wenn in Zukunft umstrittene Gesetze zur Abstimmung anstehen, kann sich der anstauende Frust leicht entladen. Denn das "L" im Parteiname Likud steht für Liberal. In der Partei gibt es offen auftretende Schwule.
Offener Rassismus dagegen gehört nicht zum Programm. Weshalb Netanyahu die politisch problematischsten Forderungen der Rechtsextremen abblockte. Vor allem solche, die in Washington Unmut provozieren könnten. So soll es eine volle Annexion der besetzten Palästinensergebiete nicht geben. Dafür wird die "schleichende Annexion" beschleunigt, wenn der Siedlungsbau in Zukunft von der Siedlerlobby verwaltet wird. Netanyahu bewahrte sich zwar auch hier ein Veto-Recht, ob das genügt, wird sich zeigen.
Und, ob das vom Premier abgelehnte Umgehungsgesetz nicht doch kommt. Mit ihm könnte das Parlament das Oberste Gericht als letzte Verfassungsinstanz entmachten. Damit wäre auch der Weg frei für ein angekündigtes Gesetz, das es erlauben soll, aus religiösen Gründen Dienstleistungen zu verweigern. Damit könnten Ärzte Homosexuelle von einer Behandlung ausschließen.
Kommende Woche landen jedenfalls andere Gesetze vor den Höchstrichtern: Sie sind genau auf die Ansprüche dreier neuer Minister zugeschnitten: A) Auch Vorbestrafte dürfen Minister werden. B) Ein Minister kann Zuständigkeiten aus einem zweiten Ministerium übernehmen, obwohl dort ein anderer Minister die Ämter führt. C) Die Richtlinienkompetenz des Ministers für die Polizei wird ausgeweitet.
"Sie wollen die Polizei direkt der Politik unterstellen. Politiker legen dann fest, ob und wie ermittelt werden darf", warnte der neue Oppositionsabgeordnete Yoav Segalowitz. Er ermittelte als Polizeioffizier bis 2013 selbst gegen führende Politiker.
Auch beim Einwanderungsgesetz soll es Verschärfungen geben. Nicht mehr der Staat, sondern streng orthodoxe Rabbiner sollen entscheiden, wer Jude ist – also in Israel einwandern darf.
In der Armee, im Ärzteverband, bei LGBTQ-Verbänden, unter Feministinnen – überall regt sich Widerstand gegen die neue Regierung. Praktisch jede der vielen Minderheiten Israels kann sich bedroht fühlen. Auch Netanyahu weiß: Mit Homophobie, Frauenfeindlichkeit und Rassismus lässt sich eine Regierung bilden – aber kein Staat machen. Und so rechnen manche schon mit dem 6. Urnengang in nur 5 Jahren.
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