„Ihr seht nur die schwarzen Fahnen“

Der syrische Karikaturist Ali Farzat im KURIER-Interview.

Es war am 25. August 2011 im Herzen von Damaskus. Maskierte Bewaffnete zerren Ali Farzat aus seinem Auto, verprügeln ihn. Danach werfen sie ihn zwischen Stadt und Flughafen auf die Straße. Mit zwei gebrochenen Händen bleibt er liegen. Ali Farzat ist Zeichner und vielfach preisgekrönter Karikaturist – 2011 erhielt er den Sacharow-Preis. Ein Mensch, wie er sagt, der sich allem voran als Bürger Syriens sehe und als solcher seiner Aufgabe als Künstler nachkomme. Und die syrische Führung um Bashar al-Assad kommt dabei nicht gut weg. Zwei Monate nach dem Überfall in Damaskus verließ er Syrien. Heute lebt er in Kuwait. Derzeit ist Ali Farzat zu Besuch in Wien. In der Akademie der bildenden Künste eröffnete er gestern eine Ausstellung mit seinen Werken.

Er ist ein Mann, der gerne mit ausladenden Gesten spricht. Und Fragen stellt: „Woher wissen Sie das? Haben Sie das selbst gesehen?“ Vor allem, wenn er mit Außenansichten des syrischen Bürgerkrieges konfrontiert wird. Mit Mutmaßungen, die Revolte werde von Islamisten gekapert.

„Welche Opposition ist schon einig?“, fragt Farzat. Und was spreche dagegen, dass in der Revolution auch religiöse Kräfte aktiv seien. Aber der Aufstand in Syrien, der sei nach wie vor eine breite Bewegung gegen Assad, an der sich alle Konfessionen, Altersgruppen oder gesellschaftlichen Schichten beteiligten: Christen, Drusen, Kurden, Intellektuelle, Arbeiter. Warum, so sagt er, würde der Westen jetzt diese Frage nach der syrischen Opposition stellen? Wieso nicht früher, „als die Menschen mit Blumen und Luftballons demonstriert haben?“ „Aber ihr seht nur die schwarzen Fahnen“, sagt Farzat in Anspielung auf die Banner islamistischer Gruppen. Die EU und die USA sollten den Syrern doch bitte ein Handbuch für Revolutionen zusammenstellen, „damit wir auch alles richtig machen“.

Vor der Revolte und dem Krieg war Ali Farzat einer der bekanntesten Karikaturisten in Syrien. Assad hat er mehrere Male getroffen. Er sei wie eine „Hülle gewesen“, habe von Reformen gesprochen. Aber dann sei es plötzlich düster geworden: Verhaftungen, Zeitungen wurden geschlossen. Und heute könne man die syrischen Zeitungen nicht einmal mehr als Klopapier verwenden, weil die Tinte abfärbe. Trotz des vielen Blutes hat sich Ali Farzat Humor bewahrt. Auf die Frage, wie das gehe, lacht er: „Die Gene.“

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