„Ich glaube an einen Mix aus Ratio und Balkan“
Er rate dem mazedonischen Regierungschef dringend von Neuwahlen ab und habe das Zoran Zaev auch schon selbst gesagt. Das sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn im Gespräch mit dem KURIER zu den Drohungen Zaevs nach dem gescheiterten Namensreferendum vom Wochenende. „Neuwahlen würden nur eine Verzögerung auf dem Weg zu einem Beitrittsprozess der Früheren jugoslawischen Republik Mazedonien mit der EU bringen“, sagte Hahn. Dieser Prozess könnte sonst im Sommer 2019 auf den Weg gebracht werden.
„Frühere jugoslawische Republik Mazedonien“, das muss der EU-Kommissar zu Mazedonien sagen. Denn FYROM (Former Yugoslav Republic of Macedonia) ist nach wie vor der offizielle Name Mazedoniens. Nach jahrzehntelangem Streit mit Griechenland, das wegen seiner nördlichen Provinz Makedonien diesen Namen dem Nachbarstaat nicht zugestehen wollte, gab es im Sommer eine Einigung, die auch Voraussetzung für eine eventuelle NATO- und EU-Mitgliedschaft ist: Neben anderen Punkten will sich das – weitgehend ohnehin überall so genannte – Mazedonien den Namen „Nordmazedonien“ geben.
Eine Volksabstimmung darüber am Sonntag galt als letzte Hürde. 94 Prozent der Teilnehmer stimmen zu, es nahmen aber nur 36,8 Prozent der Stimmberechtigten teil. „Ungültig“, sagt die nationalistische Opposition. Regierungschef Zaev billigt der Abstimmung ohnehin nur empfehlenden Charakter zu und will im Parlament über den neuen Namen und den Pakt mit Griechenland abstimmen lassen. Dort braucht er aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit – die er ohne die oppositionelle VMRO-DPMNE nicht zustande bringt.
Was sagt Hahn zum gescheiterten Referendum?
„Ich bin weit davon entfernt zu sagen, das Referendum ist schief gegangen. Es ist ungewöhnlich, dass ein Referendum zwar 94 Prozent Zustimmung erhält, aber nur 37 Prozent teilgenommen haben – weil die Opposition offensichtlich durchaus erfolgreich war, zu boykottieren.“ Er gehe aber davon aus, dass es im Parlament zu einer notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit kommen werde. Dazu brauche es acht oder neun Stimmen der Opposition. Das müsse zu machen sein – „alle erklären, sie wollen der EU und der NATO beitreten, auch die Opposition, dann muss man dafür eben den Preis dieser Lösung zahlen“, so Hahn. Es gehe um eine Lösung im Interesse des Landes, nicht um Parteipolitik. Und wie sollen die Stimmen zustandekommen? „Ich glaube an einen Mix aus Balkan und Ratio.“
Dynamik am Balkan
Die Einigung auf eine Namensänderung sei eine Chance, die sich nach Jahrzehnten ergeben habe und die man nützen müsse. Sie habe auf dem gesamten Balkan schon eine „Dynamik ausgelöst“, etwa einen ersten Schub bei den Gesprächen Serbien-Kosovo.
Ratschläge von außen – auch die NATO und Athen machen Druck auf Skopje, die Namensänderung durchzuziehen – seien nicht kontraproduktiv, sagt Hahn. Im Gegenteil, in Mazedonien schätze man das plötzliche Interesse aus Europa, ja selbst den USA.
Andreas Schwarz
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