Hongkong "wird schwere Wunden davontragen"

Regierungschefin Carrie Lam drängt auf ein Ende der Proteste. Ohne Erfolg. Am Flughafen kommt es zu schweren Zusammenstößen.

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam richtete am Dienstag an ihre Landsleute einen dramatischen Appell. Die anhaltende Protestwelle und die Einstellung des Flugverkehrs schade dem Image Hongkongs und damit allen, mahnte sie vor Journalisten. „Hongkong als offene, freie, sehr tolerante, wirtschaftlich stabile Stadt wird schwere Wunden davontragen. Die Erholung könnte lang dauern“, sagte Lam, die bei der Pressekonferenz mit den Tränen kämpfte. Der Aktienindex der Hongkonger Börse fiel auf den niedrigsten Stand seit sieben Monaten.

Ihren Rücktritt, den die Demonstranten hartnäckig fordern, lehnt Lam aber ab. Ob Peking sie davon abhalte, das Gesetz zur Auslieferung an die Justiz Festlandchinas zurückzuziehen? Diese Frage ließ sie unbeantwortet.

"Krokodilstränen"

Pro-demokratische Abgeordnete der Sonderverwaltungszone werteten das als Bestätigung, dass Lam eine Marionette sei und Peking die Fäden ziehe. Sie vergieße nur „Krokodilstränen“, zitiert die South China Morning Post einen Abgeordneten.

Tausende in schwarz gekleidete Demonstranten besetzten erneut den internationalen Flughafen. Etliche Flüge mussten gestrichen werden, ab dem Nachmittag stellte der achtgrößte Flughafen der Welt das gesamte Check-in für alle restlichen Flüge des Tages ein. Wer noch nicht eingecheckt war, konnte nicht abfliegen. Davon betroffen waren auch drei Flüge der Lufthansa nach Wien, Frankfurt und Zürich.

„Bitte entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten, wir kämpfen für die Zukunft unserer Heimat“, stand auf einem Plakate der Demonstranten, die die zum Teil schwer verärgerten Reisenden um Verständnis baten.

Zorn über Polizeigewalt

Schon am Vortag hatte der Flughafen am Nachmittag den gesamten Betrieb einstellen müssen. Zu viele wütende Demonstranten waren in das Flughafengebäude geströmt. Auslöser für die Massenproteste war der massive Gewalteinsatz der Polizei am Sonntag mit vielen Verletzten. Darunter auch eine junge Frau, deren Schutzbrille von einem Gummigeschoß durchschlagen worden war. Sie hat mehrere Knochenbrüche im Gesicht erlitten und ist nun auf dem rechten Auge blind.

Nicht nur auf dem Flughafen tragen seither viele Regierungskritiker Augenbinden. Auch in Spitälern ließen sich Ärzte und Pflegepersonal mit Augenbinden fotografieren. Sie nehmen damit das Risiko in Kauf, gefeuert zu werden. Denn ihre Identität lässt sich wohl leicht herausfinden.

Regierungschefin Lam bedauerte auf Nachfrage von Journalisten das Schicksal der erblindeten Frau, ihr täten alle Verletzten leid. Kritik an der Polizei, die „schwierige Entscheidungen“ treffen müsse, übte sie nicht. Wenige Stunden später kam es zu heftigen Zusammenstößen am Flughafen. Dutzende Beamte mit Schlagstöcken, Helmen und Schilden drangen am Abend in den von Aktivisten besetzten Airport ein. Demonstranten begannen, gegen die Polizei weitere Barrikaden an einer Eingangsrampe zu errichten. Kurz darauf zogen sich die Polizisten zunächst wieder zurück.

Zusammenstöße am Flughafen

Wie die Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ berichtete, griffen die Beamten ein, um einem Mann zu helfen, der über Stunden von Demonstranten festgehalten und beschuldigt worden sei, ein Agent vom chinesischen Festland zu sein. Sanitäter brachten den Mann schließlich aus dem Flughafen. Vor dem Gebäude wurden demnach Polizeifahrzeuge angegriffen und Fenster eingeschlagen.

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