Homosexualität im Unterricht: 100.000 Protest-Stimmen
Das Thema Homosexualität aufwerten – das war der Plan des roten Kultusministers von Baden-Württemberg für das kommende Schuljahr. Ein gut gemeinter Ansatz, der Toleranz lehren soll, könnte man meinen. Herausgekommen ist dabei aber so ziemlich das Gegenteil des Gewünschten. An dem Vorstoß des deutschen Politikers hat sich nämlich eine Debatte entzündet, die vor Ideologiefragen nur so strotzt.
So hat ein Realschullehrer aus dem Schwarzwald kurz nach Bekanntwerden der Pläne eine Online-Petition ins Leben gerufen. Darin sagt der Pädagoge, dass der neue Bildungsplan schlicht "auf eine pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung an den allgemeinbildenden Schulen" abziele.
„Geringere Lebenserwartung Homosexueller“
Mehr als 100.000 Menschen gaben ihm bereits Recht. Lehrer, Ärzte, aufgebrachte Eltern: Sie unterschrieben auch jene Passagen, in denen von den "negativen Begleiterscheinungen eines LSBTTIQ-Lebensstils" gesprochen wird. LSBTTIQ - lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queer – führe zu einer "höheren Suizidgefährdung", es gebe eine erhöhte Anfälligkeit für Alkohol und Drogen und eine auffällig hohe HIV-Infektionsrate bei homosexuellen Männern, ist dort zu lesen. Und eine "deutlich geringere Lebenserwartung homo- und bisexueller Männer" sowie "das ausgeprägte Risiko psychischer Erkrankungen bei homosexuell lebenden Frauen und Männern". Dass dies der bereits entschärfte Text der Petition ist, sei nur am Rande erwähnt.
Kirche wehrt sich gegen Ideologisierung
Rückenwind bekommen all die Kritiker auch von der Kirche – wenngleich sich diese von "Hetzportalen" und "diffamierenden Blog-Einträge" distanziert. Aber auch die evangelischen und katholischen Landeskirchen sind der Meinung, Funktionalisierung, Instrumentalisierung, Ideologisierung und Indoktrination gelte es zu wehren.
Auf der anderen Seite steht nun das Kultusministerium, das mit dieser überbordenden Menge an Gegnern zu tun hat. Zwar weist man in Stuttgart die Behauptungen der Petition als "falsch und diskriminierend" zurück – dass Schüler umerzogen werden sollen, sei "vollkommen absurd", so eine Sprecherin zum Spiegel -, aber mit der Petition wird man sich dennoch auseinandersetzen müssen. Sie kann nach Ende der Laufzeit beim Petitionsausschuss des Landtags eingereicht werden.
60.000 Menschen wehren sich
Immerhin kann das Kultusministerium aber auch auf Unterstützer zählen. Zur Anti-Homosexuellen-Petition gibt es nun auch eine Gegenaktion: Seit einer Woche ist die "Gegenpetition zu: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens" online zu finden, knapp 60.000 Menschen hat sie bereits überzeugen können. Das versucht auch der Schülerbeirat des Landes, der vor einer Panikmache warnt. "Die sexuelle Vielfalt ist doch ein Teil unserer Gesellschaft, warum sollte sie nicht im Unterricht vorkommen", so der Vorsitzende Christian Stärk im Spiegel.
Wie der Streit ausgeht, ist nicht absehbar. Für jenen Realschullehrer, der die Petition verantwortet, könnte die Sache aber unangenehme Folgen haben: Gegen ihn liegen mittlerweile eine Dienstaufsichtsbeschwerde und eine Strafanzeige vor, berichtet die Süddeutsche Zeitung.
Eine von der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) präsentierte Studie zeichnet ein pessimistisches Bild von der Lage sexueller Minderheiten in der EU. Diskriminierung von Homosexuellen ist in der EU immer noch weit verbreitet. Die EU-Grundrechte-Agentur (FRA) hat für die bisher größte Studie zu diesem Thema 93.000 Lesben, Schwulen, Bisexuelle und Transgender-Personen (LGBT) befragt.
Österreich knapp über dem Durchschnitt
Mehr als ein Drittel der Befragten wurde wegen ihrer sexuellen Orientierung bereits einmal tätlich angegriffen oder bedroht. Knapp ein weiteres Drittel machte diese Erfahrung bereits dreimal - und öfter.
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