Deutschland: "Zeit für die Ehe für alle ist gekommen"

Demonstranten vor dem Bundesrat: Die Zeit für die "Ehe für alle" ist reif, ist man sich einig.
Länder drängen auf die Homo-Ehe samt Adoptionsrecht. Auch in der CDU schwindet der Widerstand.

In Schöneberg strahlt sogar die U-Bahnstation in Regenbogenfarben. Die Cafés und Geschäfte in dem Berliner Stadtteil sind schwul, lesbisch, queer – sie sind offen für alles und jeden, ganz egal, welche sexuelle Orientierung man für sich beansprucht.

Diese Offenheit findet man ein kleines Stück weiter nördlich weniger leicht. Im Regierungsviertel hat man nach wie vor noch seine Probleme mit der Frage, ob homosexuelle Paare heterosexuellen komplett gleichgestellt werden sollen. Die Homo-Ehe ist in Deutschland, ähnlich wie in Österreich, gesellschaftlich noch schwieriges Terrain – die Stimmen, die eine völlige Angleichung fordern, werden allerdings zunehmend lauter.

Mächtige Idee

Am Freitag hat der Bundesrat, die Kammer der 16 deutschen Länder, ein starkes Signal Richtung Bundesregierung gesendet. Die dortige rot-rot-grünen Mehrheit verabschiedete eine Resolution, die den Bundestag und somit auch Kanzlerin Merkel zum Handeln in Sachen Homo-Ehe auffordert – man will die komplette Gleichstellung, also auch das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) geradezu pathetisch. Skandierende Demonstranten vor dem Gebäude unterstützen sie dabei.

Die SPD vertritt hier eine ganz andere Linien als ihr Koalitionspartner auf Bundesebene. Aber selbst in der konservativen CDU/CSU-Fraktion schwindet nun der Widerstand langsam. Derzeit wird sogar überlegt, eine mögliche Abstimmung im Bundestag über die Frage der Homo-Ehe freizugeben. Dies böte jenen CDUlern, die in der Frage von der Parteilinie abweichen, die Möglichkeit, den Antrag mit Rot-rot-grün durchzubringen. CDU-Mandatar Stefan Kaufmann, selbst der selbst offen schwul lebt und in der Partei für seine Anliegen kämpft, hält ein Ja von manchen in der CDU durchaus für denkbar: Gar nicht so wenige seiner Kollegen würden für den Antrag stimmen, meint er.

Knackpunkt Merkel

Dreh- und Angelpunkt des Debatte ist wie so oft die deutsche Kanzlerin. Das zeigte sich auch einer Bundestagsdebatte, in der der Stellvertreter von Außenminister Steinmeier am Donnerstag ihr Privatleben in die Diskussion involvierte – Michael Roth fragte sich lautstark, wie denn das Pinzip der Fruchtbarkeit ein gewichtiges Argument für die Ausschließlichkeit der Ehe sein könne, wenn selbst die deutsche Kanzlerin kinderlos sei.

Angela Merkel äußerte sich dazu gar nicht. Dem Thema der Öffnung steht sie aber generell negativ gegenüber, ganz im Sinne des konservativen CDU-Flügels. Die harsche Formulierung, sie „tue sich schwer“, hört man aber schon länger nicht mehr. Und angesichts der Wahlen 2017 wäre ein Schritt in diese Richtung eine gute Möglichkeit für die CDU, in den großen Städten wieder auf mehr Wählerstimmen zu kommen – zuletzt verloren die Konservativen mit Dresden ihre letztes Bürgermeisteramt einer Großstadt.

Bis dahin gilt es aber durchaus noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Etwa im Saarland: Die dort regierende Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hat warnte kürzlich davor, dass wenn man die Homo-Ehe einführe, es auch bald Ehen von mehr als zwei Personen geben wird – oder gar unter engen Verwandten. Ein Argument, das im queeren Schöneberg nur für Kopfschütteln sorgt.

Lebenspartnerschaft: Schwule und lesbische Paare können in Deutschland seit 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, auch andere Rechte wurden seit sukzessive jenen von Ehe-Leuten angeglichen.

Unterschiede: Dennoch gibt es große Differenzen: So dürfen gleichgeschlechtliche Paare weder offiziell heiraten noch gemeinsam Kinder adoptieren. Lediglich die Adoption von Kindern, die ein Partner mit in die Lebensgemeinschaft gebracht hat, ist erlaubt.

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