Hitler-Stalin-Pakt: Wie Moskau das Bündnis der Diktatoren heute sieht

Stalin und der deutsche Außenminister Ribbentrop im Kreml
Russlands Botschafter in Österreich wirft einen Blick auf die Geschichte, wie er "nicht zur Erinnerungskultur des Westens gehört"

Nach jüngsten Veröffentlichungen, etwa im KURIER, wurde mir klar, dass es noch wichtige Momente gibt, die rund um den 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges zu erläutern sind.

Im Grunde genommen ist die Position der westlichen Historiker, die Sowjetunion trage die Mitschuld für den Anfang des Weltkrieges, kaum neu. Dabei werden aber immer wieder bedeutende Tatsachen außer Acht gelassen oder komplett verdreht. Nehmen wir nur die Gemeinsame Erklärung Neville Chamberlains und Adolf Hitlers zur Entschlossenheit, niemals wieder Krieg gegeneinander zu führen vom 30. September 1938 oder die demselben Zweck dienende Deutsch-Französische Erklärung vom 6. Dezember 1938.

Hitler-Stalin-Pakt: Wie Moskau das Bündnis der Diktatoren heute sieht

Russlands Botschafter Dmitrij Ljubinskij

Diese werden entweder ganz „vergessen“ oder als kluge Aktionen zur Eindämmung Hitlers eingestuft. In der Tat handelte es sich um die ernsthafte Gefahr der Gründung einer gemeinsamen anti-sowjetischen Front.

Ignoriert wird auch, dass der Hitler-Stalin-Pakt kaum der Anfang der Tragödie war. Es war gerade das berüchtigte Münchener Abkommen. Die Krone der „Appeasement-Politik“ des Westens. Nach diesem Abkommen wurden die Tschechoslowakei und ihre Bevölkerung durch die Nazis buchstäblich zerrissen, einschließlich der Juden, die damit zur Vernichtung verurteilt wurden. Die Sowjetunion trat nachhaltig auf der Seite der Tschechoslowakei auf und erkannte die widerliche Annexion des Landes durch Hitler nie an.

Durch den Hitler-Stalin-Pakt im Vergleich waren aber wenigstens große Teile der Westukraine und von Belarus (Weißrussland) vom Holocaust und der „Neuordnung“ für zwei Jahre verschont. Die Gebiete, die erst 1920–1921 durch Polen okkupiert wurden. Die Einmischung der UdSSR wurde weder von London noch von Paris als „Aggression“ eingestuft, und es gab keine offiziellen Proteste. Die für Historiker bekannte Einschätzung von Winston Churchill oder z. B. David Lloyd George über die Ereignisse im September 1939 bestätigen diese These vollkommen. Die wichtigste Priorität für Moskau war bereits zu dieser Zeit eine Allianz mit Paris und London, aber auch unter Einbeziehung von Polen, zur Bildung eines gemeinsamen Sicherheitssystems in Europa.

Zum sowjetischen Vorschlag gehörte unverzügliche Militärhilfe im Fall einer direkten Aggression. Die Verhandlungen dauerten bis Mitte August 1939. Diese waren leider fruchtlos, weil es der britischen und französischen Seite vor allem um den Druck auf Deutschland und die Minimierung ihrer Verpflichtungen zur Hilfe der Sowjetunion ging. Die Sowjetunion sollte einen möglichen Krieg selbst führen, so war die Grundidee.

Eine äußerst negative Position Polens spielte dabei wiederum eine prominente Rolle. Die damaligen Machthaber in Warschau waren bereit, mit jeder Macht eine Vereinbarung zu treffen, nur nicht mit Russland. Die Vernichtung „jedes Russlands“ war noch 1937 Endziel des polnischen Generalstabs. In dieser Atmosphäre war die UdSSR gezwungen, diese äußerst schwierige, durch Tatsachen erzwungene Entscheidung zu treffen und den Pakt mit Deutschland einzugehen, um den Krieg auf zwei Fronten – im Westen und im Osten gegen Japan – zu vermeiden oder zumindest zu verzögern. Die Geschehnisse vor dem 1. September 1939, die zum Ausbruch des Krieges geführt haben, dürfen nicht simplifiziert und zur Konfrontation zweier Diktatoren herabgestuft werden. Hitler entfesselte diesen Krieg. Und nur gemeinsam konnten die Nationen der Welt ihn besiegen. Diese Tatsache darf auf keinen Fall in Vergessenheit geraten, denn sie kann als Grundstein für den Aufbau unserer gegenwärtigen Beziehungen dienen.

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