Happy Birthday, Queen Elizabeth!
Stellen Sie sich vor, Sie wohnen im Gemeindebau, genau genommen Am Kaisermühlendamm 1-5/ erste Stiege/elfter Stock/Tür Nr. 67 in Wien-Donaustadt. Plötzlich geht die Tür auf und Ihre Majestät, die Königin von Großbritannien tritt ein, um mit Ihnen eine Tasse Tee zu trinken. Tatsächlich hat’s diese Szene gegeben und zwar vor 50 Jahren, am 7. Mai 1969, als die Queen auf Staatsbesuch in Österreich weilte.
Jubel für die Queen
Elizabeth II war am 5. Mai in Schwechat gelandet, wo sie und Prinz Philip von Bundespräsident Franz Jonas empfangen wurden. Tausende Schaulustige waren auf den Flughafen gekommen und jubelten, als die Queen und ihr Gemahl über die Gangway schritten. Weitere 50.000 säumten die Straßen, über die das Paar zum Hotel Imperial gelangte. Prinzessin Anne, die man ebenfalls erwartet hatte, fühlte sich nicht wohl und kam einen Tag später.
Für Österreich war der Staatsbesuch der 43-jährigen Queen das größte gesellschaftliche Ereignis seit dem Gipfeltreffen Kennedy-Chruschtschow, acht Jahre davor. Dem Diplomaten Georg Hennig, der der Queen 1969 als Übersetzer zur Verfügung stand, blieb Elizabeth II bis heute als „diszipliniert, ruhig und darauf trainiert, auf Menschen zuzugehen, in Erinnerung.“ Nachsatz: „Sie konnte aber auch grantig werden.“
Wie das?
„Ihrer Tochter Anne“, sagt Georg Hennig, der damals der Sekretär von Außenminister Kurt Waldheim war, „wurde vom Protokoll ein offenes Auto zugewiesen, aus dem sie der Bevölkerung zuwinkte. Das ärgerte die Queen, und sie sagte zu mir: ,Stellen Sie das bitte ab, ich möchte dass der Herzog von Edinburgh im Mittelpunkt steht.“ Worauf Vater und Tochter die Limousinen tauschten.
Tee mit Wiener Wasser
Im Hotel Imperial wurde die Queen von der damaligen Direktionsassistentin Elisabeth Demetz betreut, der bis heute zwei erstaunliche Episoden in Erinnerung geblieben sind. Wie immer, wenn sie auf Reisen ist, wird für den Tee der Queen Wasser in großen Flaschen aus London mitgebracht. Im Imperial scherte man sich nicht weiter drum und kochte das Leibgetränk Ihrer Majestät mit dem bewährten Wiener Hochquellwasser auf, ohne dass sie es je bemerkt hätte. Die zweite Geschichte, die mir Frau Demetz anvertraute: Als sie einmal während des Staatsbesuchs das Badezimmer der Queen betrat, glaubte sie ihren Augen nicht trauen zu können, weil die Königin persönlich ihre Leibwäsche wusch.
Wer hätte das gedacht!
„Eine schöne Wohnung“
Nach einer Galavorführung in der Spanischen Hofreitschule wollte man der Queen die sozialen Errungenschaften der Stadt Wien zeigen und führte sie, begleitet von Bürgermeister Bruno Marek, in die erwähnte Gemeindewohnung, die der Familie Chlumetzky auf der Einserstiege Am Kaisermühlendamm gehörte. Die Königin besichtigte Wohn- und Schlafzimmer sowie die kürzlich mit neuem Herd versehene Küche. Nach einer Tasse Tee verabschiedete sich die Königin mit den Worten: „Eine schöne Wohnung haben Sie!“
Und das, obwohl man – bei allem Respekt vor Kaisermühlen – davon ausgehen kann, dass sich’s auch im Buckingham Palace recht komfortabel wohnen lässt.
Zu den weiteren Höhepunkten im Rahmen des sechstägigen Österreich-Aufenthalts zählte eine Vorstellung in der Wiener Staatsoper. Man gab die „Fledermaus“ in einer Traumbesetzung mit Eberhard Wächter, Hilde Güden, Erich Kunz, Renate Holm und Otto Schenk, der in der Rolle des Frosch schlüpfte. Dazu eine kleine Hintergrundinformation: Eigentlich sollte Beethovens Oper „Fidelio“ aufgeführt werden, aber der britische Botschafter ließ die Herren vom Protokoll diskret wissen, dass die Queen die leichte Muse bevorzugen würde.
Man einigte sich auf die „Fledermaus“. Der verstorbene Publizist Lucian Meysels, der in der Loge neben jener der Königin saß, erzählte mir Jahre später, dass Prinz Philip, der perfekt Deutsch spricht, seiner Gemahlin während der Vorstellung „relativ laut“ den Text des Frosch ins Englische übersetze, was schon deshalb eigentümlich klingen musste, als man ja die Rolle des ewig betrunkenen Gefängniswärters bekanntlich kaum ins Deutsche übersetzen kann.
Am nächsten Tag fuhren die Hoheiten per Bahn nach Salzburg und Innsbruck. Der den Gästen im Salonwagen zugeteilte Zugbegleiter Ernst Fiedler erinnert sich heute, 50 Jahre später: „Die Königin stieg am Westbahnhof ein, grüßte freundlich, dann fuhren wir los. Sie wurde nur von einer Hofdame begleitet, es war kein Sicherheitsbeamter dabei“, erzählt der heute pensionierte ÖBB-Beamte.
Telefon für die Queen
Und weiter: „Am Bahnhof Wörgl wurde der Zug angehalten, da die Post eine Telefonleitung für die Queen gelegt hatte, die von hier ein Gespräch mit dem Buckingham Palace führte.“ Zugtelefon oder Handy gab’s damals noch nicht.
In Innsbruck kam es zu einer kleinen Panne: „Am Bahnsteig war der rote Teppich ausgelegt, aber der Lokführer ist um ein paar Meter zu weit gefahren, sodass es nicht möglich war, beim Teppich auszusteigen“, erzählt Herr Fiedler. „Die Königin wollte den Waggon verlassen, aber die Tür blieb zu. Da hat sie mich ratlos angeschaut. Es dauerte ein paar Minuten, bis der Teppich in die richtige Position gebracht wurde.“ Nun konnte Her Majesty ihr königliches Bein auf Innsbrucker Boden setzen.
Philip im Fettnäpfchen
Auch ein Kurztrip zu den Lipizzanern in Piber und ein Flug nach Graz waren organisiert. In Graz trat Prinz Philip in ein für ihn typisches Fettnäpfchen. Als ihm am Flughafen Thalerhof der Landesrat (und spätere Landeshauptmann) Friedrich Niederl, der zufällig zwischen zwei Frauen stand, vorgestellt wurde, scherzte der Prinz auf Deutsch: „Ah, und der Herr Landesrat hat zwei Frauen?“
Am 10. Mai 1969 reisten die Majestäten wieder ab. Österreich hatte mit dem Staatsbesuch wieder ein Stückerl Selbstbewusstsein getankt.georg.markus
PS: Sollte es der Zufall wollen, dass die Queen gerade heute zu Ihnen in den Gemeindebau kommt, dann rufen Sie ihr mit kräftiger Stimme „Happy birthday“ zu. Sie feiert nämlich heute ihren 93er.
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