Deutsches Ja zu CETA auf wackeligen Beinen
Ein Mann der Wirtschaft, das Herz dennoch am linken Fleck – so wäre Sigmar Gabriel nur allzu gern. Die Realität des SPD-Chefs sieht aber zumeist anders aus. Der Kampf um CETA, der in Deutschland ähnlich emotional geführt wird wie in Österreich, ist nur der jüngste Höhepunkt – aber einer, der Gabriel noch Probleme bereiten könnte.
Die Zwickmühle, in der Gabriel steckt, ist im Grunde simpel. Als Wirtschaftsminister kann er sich kaum gegen CETA stellen, ohne die Wirtschaft zu verprellen; als SPD-Chef muss er aber den Bedenken seiner Partei Rechnung tragen – viele seine Parteikollegen haben, ähnlich wie in der SPÖ, keine Freude mit der Vereinbarung. Gabriel ging deshalb einen Schritt auf seine Kritiker zu und ließ die Sache auf einem Parteikonvent diskutieren. Bei ihm ging es schließlich nicht nur um CETA, sondern auch um seine Glaubwürdigkeit – ein Parteichef, der sich nicht durchsetzen kann, wäre bei der SPD ordentlich beschädigt.
Ein vages Ja
Gabriel hat alle Register gezogen, um die störrischen Genossen auf Linie zu bringen. Er flog nach Kanada, um mit Premier Justin Trudeau das Abkommen nachzubessern, lud die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland ein, um die Skeptiker zu beruhigen. Zu guter Letzt versprach er Nachbesserungen – und gewann: Der Konvent stellte sich hinter ihn, wenn auch nicht mit Beifall.
Gabriel deutete das als Sieg – und verkaufte sich fortan als jener Mann, der den Kanadiern Zugeständnisse abringen kann. Dass Österreichs Kanzler mit der Mitgliederabstimmung dazwischenfunkte, sah man in der SPD-Zentrale deshalb nicht so gern; ebenso schwierig ist es nun mit dem Zusatzpapier, auf das ja auch Kern drängte.
Darin wird nämlich nicht genau erfüllt, was Gabriel seinen Genossen versprach – dass die Formulierungen schwammig sind, wird vor allem die Gewerkschaften alarmieren, auch die Jungsozialisten haben Bedenken.
Kommt es nicht zur einer Präzisierung – vor allem in puncto Rechtsverbindlichkeit (siehe rechts) – steht dem Parteichef ein Aufstand ins Haus.
Gerichtsentscheid
Das Ja seiner Partei zu CETA wackelt also wieder ein bisschen – und damit auch seine Position. Dass parteiinterne Kritiker ihm am Freitag via Spiegel ausrichten ließen, dass Martin Schulz eigentlich der bessere Kanzlerkandidat wäre, wird ihn wenig freuen.
Er kann jetzt nur abwarten und hoffen: Entweder bleibt die Kritik an ihm ein Sturm im Wasserglas – oder die Gerichte retten ihn. Am 12. Oktober entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob CETA mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Kommt von dort ein Nein, wäre Gabriel aus der Schusslinie – und könnte am 18. Oktober auch nicht zustimmen.
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