Warum die Hamas zwei Geiseln freigelassen hat

Judith und Natalie Raanan sind die ersten Freigelassenen. Im Foto telefonieren die israelisch-amerikanischen Bürgerinnen mit US-Präsident Biden.
Israels Sicherheitsexperten überlegen, was die Freilassung von Judith und Natalie Raanan bedeuten könnte.

Mutter und Tochter blickten ungläubig in die Kameras, als sie in der Nacht auf Samstag von Helfern des Internationalen Roten Kreuzes aus ihrer Gefangenschaft in Gaza in die Freiheit geführt wurden. Judith und Natalie Raanan gehörten zu den über 200 israelischen Geiseln, die die militante Hamas-Miliz zwei Wochen zuvor nach einer mörderischen Attacke auf Israels Süden in den Gazastreifen verschleppt hatte.

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Hamas entließ die "Kriegsgefangenen" als „humanitäre Geste“ infolge erster Vermittlungsversuche der Regierung in Katar. Israels Regierung war dabei unbeteiligt. Es war kein Austausch, trotzdem aber aus israelischer Sicht nicht ganz unproblematisch. Israels Medien mokierten sich zum Teil über die visuell aufdringliche Art von Gal Hirsch, sich vor den Kameras mit Schutzweste zwischen Mutter und Tochter zu drängen.

Der Sonderbeauftragte für Geiselfragen ist die persönliche Ernennung Premier Benjamin Netanjahus vor zehn Tagen – eine umstrittene, steht Hirsch doch wie der Premier als Angeklagter vor Gericht wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Während seiner Zeit als Brigadegeneral machte er sich wegen seiner Großspurigkeit im Generalstab nicht gerade beliebt. Umso mehr fand seine aufschneiderische Art Anklang in der Umgebung Netanjahus. Das Verteidigungsministerium stellte ihm zwei angesehene Ex-Generäle zur Seite. "Zum Ausgleich", befand die Zeitung Haaretz.

Warum die Hamas zwei Geiseln freigelassen hat

Gal Hirsch führte die Raanans in die Freiheit.

Westliche Hilfe erwartet

Hirschs erster öffentlicher Auftritt fand kürzlich vor westlichen Botschaftern statt. Von ihnen erwartet Israel Hilfe bei der Befreiung der Geiseln. So arbeiteten europäische Vermittler schon mehrfach mit Israel nach Geiselnahmen im Libanon, aber auch in Gaza zusammen. Statt beim Treffen nützliche Kontakte zu knüpfen, kanzelte Hirsch die Chefdiplomaten aus aller Welt ab. "Ihre Regierungen haben die Hamas groß gemacht", war der rote Faden seiner Rede, die Ohrenzeugen zufolge teils lautstark geführt wurde.

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Aber was bedeutet nun die unerwartete Freilassung der Raanans? Darüber rätseln Israels Sicherheitsexperten auf Hochtouren.

Zum einen dürfte die Hamas bemüht sein, einer drohenden Gleichsetzung mit dem international verpönten Islamischen Staat entgegenzusteuern. Die zwei Freilassungen können aber auch als Signal der Bereitschaft zu zukünftigen Austauschdeals verstanden werden. Wobei die Hamas darauf aus sein sollte, die 212 Geiseln in Gruppen zu spalten – etwa Alte, Kranke, Frauen, Kinder, wohl erst am Schluss die Soldaten. Das alles könnte sich über Jahre hinziehen. In dieser Zeitspanne würde jeder israelische Angriff auf den Gazastreifen das Leben der Geiseln bedrohen.

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Giora Eiland, früherer Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats, zeigt sich skeptisch, was die Befreiung der Geiseln angeht. Er ist dafür bekannt, Sachlagen nüchtern zu analysieren und dabei auch Unbequemes auszusprechen: "Auch wenn wir uns die Befreiung zum Ziel setzen, sind die Aussichten nur sehr gering, sie voll zu erreichen."

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