Wieso Musks "politisch inkorrekter" KI jetzt das Verbot droht

Elon Musks KI-Firma xAI stellt eine neue Version seines Chatbots Grok vor
Am Freitag war Elon Musk noch richtig guter Dinge. Grok, seine in die Nachrichtenplattform X integrierte KI, sollte ein Update bekommen, und das sollte ganz in seinem Sinne sein: Der KI-Suchassistent solle ab sofort noch deutlich weniger „woke“ sein, so Musk – sprich nicht so politisch korrekt wie die sehr neutrale Konkurrenz von Meta, Google oder Open AI. Grok sollte dem entsprechen, was für Musk schon seit Langem unter dem Titel „Wahrheit“ und „Meinungsfreiheit“ läuft: „Wir haben Grok deutlich verbessert. Sie sollten einen Unterschied bemerken“, sagte er lächelnd.
Hitler-Bewunderung
Diese Worte hallen knapp eine Woche später höchst unangenehm nach. Denn auch wenn Grok schon zuvor so manchen Lapsus produziert hat: Das, was der Chatbot in den vergangenen Tagen von sich gegeben hat, erreicht eine ganz neue Dimension. Grok freute sich nicht nur darüber, dass die Waldbrände die einkommensschwache Viertel von Marseille „säubern“ würden, sondern meinte auch, die beste Person, um dem grassierenden „anti-weißen Hass“ in den USA zu begegnen, sei eindeutig Adolf Hitler. Und, weil der Chatbot laut Musks Anweisung möglichst „frech und unterhaltsam“ sein soll, fügte er hinzu, er selbst sei „MechaHitler“ – eine Anspielung auf das Videospiel Wolfenstein, in dem Deutschland den Zweiten Weltkrieg gewinnt.
Die Beispielliste ließe sich fortsetzen, jedoch ist viel davon nicht druckbar; Groks sexuelle Gewaltfantasien oder Holocaust-Leugnungen etwa oder Beschimpfungen mancher Politiker und deren Verwandter. Letztere sorgen auch für ein unangenehmes Nachspiel für Musks Firma xAI, die Grok programmiert.
Politische Folgen
Weil der Chatbot über die Mutter des türkischen Präsidenten Erdoğan höchst Unflätiges verbreitete, ließen die Behörden Grok nun sperren. Social-Media-Zensur ist in der Türkei, in der auch Witze über den Präsidenten mit vier Jahren Haft bedroht sind, an sich nichts Ungewöhnliches. Allerdings sind die Türken nicht die einzigen, die ein Grok-Verbot erwägen. Auch das EU-Mitglied Polen denkt darüber nach, schließlich hat Grok den polnischen Premier Tusk öffentlich als „rothaarige Hure“ und „beschissenen Verräter“ diffamiert.
Auch in Brüssel wurden die Polen vorstellig. Die EU ermittelt ohnehin gegen X, weil die schleppende Löschung illegaler Inhalte dem Digital Service Act widerspricht, mit dem Social Media reguliert werden. In diesem Kontext erheben die Polen nun den Vorwurf, dass Groks Ausrutscher nicht zufällig, sondern absichtlich herbeigeführt worden seien – im Namen allzu grenzenloser Meinungsfreiheit.
Wer ist schuld?
Wie Musks „maximal wahrheitssuchende KI“, wie er sie beim Launch 2023 nannte, so aus dem Ruder laufen konnte, ist die große Frage. Erhellende Antworten darauf lieferten bisher aber weder die Chefs von xAI noch der Milliardär selbst. Im Gegenteil, Musk schob sogar jede Verantwortung von sich, bezichtigte User, die KI provoziert zu haben. „Grok war zu nachgiebig gegenüber den Eingaben der Nutzer. Er war zu sehr darauf bedacht, zu gefallen und wurde im Grunde manipuliert“, sagte er. Bei ähnlichen Vorfällen in den letzten Monaten – etwa, als Grok Rezepte für tödliche Biowaffen ausspuckte – schob er die Schuld einem einzelnen Programmierer zu.
Jetzt versprach Musk zumindest, dass an den Problemen gearbeitet werde. Bisher hat xAI jedoch nur die Notbremse gezogen und jene Posts gelöscht, die in der Türkei für rechtliche Probleme sorgen. Zudem wurde die Funktion deaktiviert, mit der der Chatbot auf Nutzerfragen öffentlich antwortet und sich selbst dabei in die Bredouille bringt. Nun kann man Grok nur mehr im Zwiegespräch fragen, und will man dort etwas zu polarisierenden Politikern wissen, antwortet der Chatbot völlig neutral. Auf die Nachfrage nach seinen Ausrutschern zitiert er ohnehin nur Medienberichte.
Für Musk kommt die Pannenserie zur Unzeit, denn sie birgt auch ein wirtschaftliches Problem. Seit seiner On-off-Beziehung mit Donald Trump schwächeln die Aktien seiner Unternehmen massiv, vor allem Tesla hatte massive Einbrüche. Dazu kommt, dass er im Rennen mit den anderen KI-Firmen – auch Meta, Apple, Google, die ChatGTP-Firma OpenAI oder das chinesische Deepseek arbeiten mit Hochdruck – braucht er dringend Investorengelder.
Grok recherchiert anders
Fehlerfrei sind natürlich auch andere Sprachmodelle nicht, auch sie haben sich schon den einen oder anderen Lapsus geleistet; und auch KI-Halluzinationen, also erfunden Fakten, unterlaufen ihnen. Fragt man ChatGTP etwa nach Papst Leo XIV., antwortet er Chatbot: "Es gibt keinen Papst Leo XIV. Jeder Hinweis darauf ist ein Missverständnis, ein Fehler oder eine fiktive Quelle."
An Grok problematisch dürfte aber sein, dass es – anders als die Konkurrenz – in Echtzeit auf X zugreift, also auch auf die Menge an Meinungen auf der Plattform. Das ist bei aktuellen Ereignissen hilfreich, führt aber auch zur Integration der vielen problematischen bis verschwörerischen Inhalte, die Grok für „die „Wahrheit“ hält.
Ein Beispiel dafür lieferte er erst kürzlich. Gefragt, wer der größte Verbreiter von Unwahrheiten auf X sei, antwortete die KI: Elon Musk.
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