Von den Maßen her entspricht die Malizia II jener Rennyacht, mit der ich 2001 den Atlantik von Annapolis nach La Rochelle überqueren durfte: Länge 18 m, Masthöhe 29 m. Trotzdem eine völlig neue Bootsgeneration: So genannte Foils (Tragflügel) können den Schiffsrumpf aus dem Wasser heben – undenkbar vor 18 Jahren. Also fliegt Greta ja doch, wenn auch CO2-neutral. Selbst der Hilfsdieselmotor wurde ausgebaut und durch Photovoltaik und Fahrwasserstrom-Turbine ersetzt. Logbuch-Notiz: Wir haben den „Flautenschieber“ der Spirit damals nur zum Anlegen in La Rochelle gestartet.
Bei 40 km/h Wind kann die Malizia II 45 km/h Speed erreichen. Schneller als der Wind zu segeln erfordert Entbehrungen: Toilette – ein Plastikkübel. Küche – ein kleiner, kardanisch aufgehängter Gaskocher. Die beiden Betten aus Leichtmetall-Rohren werden abwechselnd genutzt. Mittels Flaschenzügen werden sie der Schräglage angepasst.
Die Unterschiede zu 2001: Die Spirit verfügte über einen Vorhang für den Klo-Kübel. Auf dem Gaskocher konnte man einen größeren Topf festschrauben. Die Crew bestand aus zwölf, nicht nur aus fünf Personen. Jeder hatte seine Koje. Die Spirit war für das Volvo Ocean Round the World Race – elf Mann Crew – gebaut worden. Die Malizia II für die Vendée Globe.
Ein Rennen, bei dem die Crew nur aus dem Skipper besteht. Boris Herrmann segelt 2020 bei dieser berüchtigten Einhand-Regatta rund um die Welt mit und hat gute Chancen. Als Partner von Schiffseigner Pierre Casiraghi wird ihm kaum das Geld ausgehen.
Spartanisch ist so eine Überfahrt trotzdem. Das Schlimmste für mich waren nicht Stürme, sondern Flauten und… Mahlzeiten: Pulver aus großen Alu-Säcken in entsalztem Meerwasser versprudelt. Verschiedene Etiketten, doch alles gleich grauenhaft. Die Qualität sei gestiegen, behauptet Österreichs einziger Volvo-Ocean-Race-Skipper Andreas Hanakamp. Ich stehe als Testperson nicht zu Verfügung. Da bei Thunbergs vegan gekocht wird, schon gar nicht.
Sieben Kilo habe ich innerhalb von 14 Tagen und 10 Stunden (6600 km) abgenommen, was auf die Anstrengung zurückzuführen war – nicht auf das Essen. Jede simple Bewegung in Schräglage bei haushohen Wellen und einem Bug, der sich abrupt in alle Richtungen verschiebt, kostet Energie. Schlafen kann man nur aufgrund totaler Erschöpfung, da der Lärm unter Deck gewaltig ist. Wer an Deck arbeitet oder nur sitzt, wird permanent von Wellen überspült, die einem buchstäblich den Atem rauben.
Das Risiko, von Wellen oder Walen verschluckt zu werden, ist minimal. Verletzungen durch Materialbruch oder Achtlosigkeit sind eher wahrscheinlich. Gute Skipper minimieren solche Gefahren. Trotzdem ist jeder für sich selbst verantwortlich. Gilt auch für 16-Jährige. Laura Dekker, die jüngste Solo-Weltumseglerin, war 2012 bei ihrer Zielankunft übrigens ebenfalls 16.
9 bis 14 Tage wird Gretas Überfahrt dauern. Boris Herrmann sollte sie auch ans Steuerrad lassen. Dank ihres besonderen Talentes, Dinge zu fokussieren, wird sie danach besser als jeder andere Debütant den Kurs halten.
von Jürgen Preusser, passionierter Segler und ehemaliger Sportchef des KURIER
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