Tutanchamuns Schatz im Rampenlicht: Das neue Tut-Museum endlich eröffnet
Tutanchamuns Unterhosen sind bereits 2018 im Haus eingetroffen. Vorsichtig hatte die Restauratorin damals eines der etwa 3.400 Jahre alten Leinen-Dreiecke ausgebreitet, die im berühmtesten Grab der Welt gefunden worden waren. Fünf Monate lang war der Stoff mittels Röntgen und C14 analysiert worden. Die Restaurierung selbst dauerte einen Monat. Sogar das Waschmittel konnte analysiert werden.
Eine von Tutanchamuns Unterhosen in den Restaurierungslabors
Seit 2010 wurde in den Laboratorien des Grand Egyptian Museum, kurz GEM, der Schatz des Tutanchamun vorbereitet. Am Samstagabend war es so weit: Das riesige Museum wurde eröffnet.
Licht und Show bei der lange erwarteten GEM-Eröffnung
Mit Pomp und Trara. Und der dänischen Königin Mary, dem spanischen König Felipe VI, dem niederländischen König Willem-Alexander; von Jürgen Klopp, Ursula von der Leyen, Frank Walter Steinmeier, Victor Orban und Beate Meinl-Reisinger ganz zu schweigen. Zumindest waren Könige und höchste Vertreter aus rund 80 Ländern weltweit von den Ägyptern eingeladen und angekündigt worden. Viele davon ließen sich das Spektakel tatsächlich nicht entgehen.
König Felipe war tatsächlich da
Um auch die Normalsterblichen einzubeziehen, wurde der Samstag zum Feiertag erklärt, und in Kairo wurden Leinwände aufgestellt, um die Zeremonie zu übertragen.
Was sie zu sehen bekamen: Viel Pomp und Pathos, ein Orchester auf dem Vorplatz des Museums gleich neben dem hängenden Obelisken, eines aus Rio zugeschaltet, eines aus New York und ein weiteres aus Paris; viele Lichteffekte, Ansprachen und unzählige als Pharao und Pharaonin Verkleidete, eine Lichtshow, Tanzeinlagen, Feuerwerk...
Staatsoberhäupter, Könige und der ägyptische Präsident al-Sisi
Zum Museum selbst: Im Oktober 2024 entschloss man sich zu einem „Softopening“ des weltgrößte archäologischen Museums – die unsichere weltpolitische Lage – Ukraine- und Gaza-Krieg – hatten die geplante Kompeltteröffnung gekippt – wieder einmal.
800 Meter misst allein die Hauptfassade des GEM aus Alabaster, Glas und Beton. Im zentralen Atrium fänden Passagierflugzeuge Platz. Die Ausstellungsfläche ist fast siebzig Fußballfelder groß.
Etwa 50.000 Objekte, 20.000 davon noch nie präsentiert, sollen gezeigt werden.
7.000 m² sind für die 5.398 Objekte des Tutanchamun reserviert. Nur 1.500 davon waren bisher ausgestellt.
Gebaut wurde mehr als 20 Jahre.
Lokalaugenschein
Der KURIER hatte bereits damals die Gelegenheit, gut die Hälfte des GEM zu besichtigen: das gigantische Atrium des GEM, wo Stein, Glas, Metall, Wasser und eine Riesenstatue des großen Pharaos Ramses II. dominieren.
Ramses, der Türöffner im Atrium
Er ist es auch, der den Besuchern den Weg zur „Journey to Eternity“ weist. Diese „Reise in die Ewigkeit“ treten die Besucher an, wenn sie die große Treppe (groß ist im GEM irgendwie alles) in den ersten Stock hinaufsteigen – gesäumt von Statuen der Königin Hatshepsut und Pharao Seti I., von Säulen und Sarkophagen.
Die große Treppe mit ebenfalls großen Statuen aus vielen Jahrtausenden
Oben angekommen gibt ein riesiges, 27 Meter hohes Panoramafenster den Blick auf die nahe gelegenen Pyramiden frei (sofern das der Kairoer Smog nicht verhindert).
Links geht es zu den zwölf Hauptgalerien: Entworfen von einem irischen Architekturbüro, finanziert mit japanischem Geld, findet man hier 50.000 antike Objekte, 20.000 davon praktisch unbekannt, von der Ur- bis zur griechisch-römischen Geschichte.
Eines von 50.000 Objekten
Wer rechts abbiegt, kommt direkt zu IHM – Tutanchamun, dem wohl bekanntesten Pharao.
Man muss kein Prophet sein, um vorher zu sagen, dass sein Schatz ein Publikumsmagnet wird. Zum ersten Mal, seit der britische Archäologe Howard Carter 1922 die Grabkammer im Tal der Könige entdeckte, werden jetzt alle 5.398 Objekte von „King Tut“, die dort auf nur 35 Quadratmeter gestapelt waren, gezeigt, 2.000 davon sind noch nie öffentlich ausgestellt worden.
Zuvor wurde jahrelang in den eigens eingerichteten Lanoratorien restauriert:
Die Ausstellung ist als Parcours konzipiert, der von zwei Seiten begehbar ist. Der eine Weg folgt einer chronologischen Erzählung vom jungen König bis zu seinem Tod. Sein Stammbaum, wie sah der Pharao aus? Auch seine körperliche Beeinträchtigung wird thematisiert. Der Weg führt schließlich zur Mumifizierung, zu den Schreinen und Sarkophagen.
Der andere Weg folgt dem Archäologen Carter. Mit einer 1-zu-1-Rekonstruktion des Grabes können die Besucher wirklich nachempfinden, wie es war, als Carter seinen großen Fund machte.
Die Besucher können selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen – beide erzählen dieselbe Geschichte, nur aus unterschiedlichen Perspektiven.
Die Maske in rechten Licht
Die berühmte Totenmaske, die erst vor gut einer Woche aus dem alten Museum am Tahrir-Platz überstellt wurde, wird ganz pur präsentiert – ein dunkler Raum, in dessen Mitte eine einzelne kugelsichere Vitrine und darin die Maske.
Cheops Barke
Ein weiteres Highlight des GEM ist die Sonnenbarke, die wohl für Pharao Cheops gebaut wurde.
20 Tonnen schwer und 42 Meter lang wurde die Sonnenbarke, zerlegt in 1.200 Teile - 1954 neben der Großen Pyramide vergraben gefunden. Bereits 2021 wurde das 4.600 Jahre alte Schiff, das vielleicht dazu gedacht war, den wiederauferstandenen König Cheops nach seinem Tod durch die Lüfte zu tragen, ins neue Museum in Gizeh überstellt. Dort wurde es renoviert und harrte in einem Schrein der Eröffnung des Grand Egyptian Museum, berichtet der Ägyptologe Al-Tayeb Abbas.
Auch die Mutter von Pharao Cheops ist nach Gizeh zurückgekehrt. Das Grab von Hetepheres I. wurde 1925 unweit des Museums entdeckt, ihr 4.500 Jahre altes vergoldetes Bett in jahrelanger Kleinarbeit mühevoll rekonstruiert. Jetzt kann es erstmals bewundert werden. Hetepheres selbst schaut – in Gestalt einer Statue – auf die Pyramide ihres Sohnes.
Und wenn wir schon bei großen ägyptischen Namen sind: Selbstverständlich wird die Expedition von Hatshepsut nach Punt thematisiert – als interaktiver Comic. Auch Amenhotep IV., der als Echnaton Tabula rasa mit den alten Göttern machte, den Monotheismus erfand und scheiterte, hat den ihm gebührenden Platz.
Monotheist Echnaton, Tutanchamuns Vater
Wandgemälde zeigen das Alltagsleben, Festszenen, Tanz und Begräbnisprozessionen. Kämme, Schmuck, Parfümschalen, Pinzetten und eine Perücke belegen, was Frauen schon immer unbedingt brauchten und runden die Tour de Force durch fast 7.000 Jahre ägyptische Geschichte ab.
Alles bekommt durch die futuristische Architektur den gebührenden Rahmen und wird vom edlen Lichtdesign zum Strahlen gebracht.
P.S. Wer die insgesamt 145 Unterhosen des Pharaos live sehen möchte: Ab Dienstag, 4. November, ist das GEM auch für Normalsterbliche geöffnet.
Das Grand Egyptian Museum, im Hintergrund die Pyramiden
Mit dem Bau des irischen Architekturbüros Heneghan Peng wird die Sammlung des GEM eindrucksvoll in die Gegend rund um die Pyramiden eingebettet. Drei Sichtachsen am Museumsgebäude laufen auf die antiken Bauwerke zu, eine neue Fußgängerbrücke verbindet beide Sehenswürdigkeiten, die viele Touristen an einem Tag besuchen wollen.
- An- und abreisen können sie auch über den noch recht neuen Flughafen Sphinx, der etwa 30 Autominuten entfernt liegt.
- Auch ein Besuch der Pyramiden und der Sphinx-Statue läuft nun deutlich geregelter ab als noch vor einigen Jahren. Er beginnt auf der Westseite an einem neuen Eingang und mit Shuttlebussen, wodurch der Stau von privaten Autos und Tourbussen ein Ende hat. Für Souvenirhändler, Touranbieter oder Pferde- und Kamelhalter gelten strengere Auflagen. An den früher genutzten Eingängen herrschte oft ein Gewimmel, in dem Touristen sich bedrängt fühlen konnten.
- Mit all diesen Umbauarbeiten hofft die Regierung, dem Tourismus weiteren Schwung zu verpassen. Vergangenes Jahr kamen 15 Millionen Touristen nach Ägypten – die meisten davon aus Deutschland und Russland –, bis 2032 sollen es doppelt so viele sein. Der Umsatz aus der Schifffahrt am Suezkanal ist eingebrochen, weil die Route durch die Angriffe im Zuge des Gaza-Kriegs zu gefährlich geworden ist. Umso wichtiger sind für das Land in seiner schweren Wirtschaftskrise die Einnahmen aus dem Tourismus.
- Ins Abseits gerät unterdessen das Ägyptische Museum, der rosafarbene Bau am zentralen Tahrir-Platz also, dessen Besuch für viele Touristen in Kairo lange zum Pflichtprogramm zählte. Der Charme lag hier auch darin, dass die Artefakte teils lagerten wie auf einem Dachboden – eingestaubt, schlecht beschriftet, kaum beleuchtet, von Schülern bekritzelt. Die wichtigsten Stücke sind von dort ins GEM abgewandert und ins ebenfalls relativ neue Zivilisations-Museum (NMEC).
- Das GEM könnte eines der meistbesuchten Museen weltweit werden und damit in die Kategorie des Pariser Louvre aufsteigen, mit dem sich die Ägypter jetzt schon gerne vergleichen. Das Große Ägyptische Museum sei in seiner Gesamtfläche doppelt so groß wie der Louvre, heißt es - was einigermaßen stimmen dürfte, wenn man die Parks des Louvre nicht mitzählt. Die Ausstellungsflächen beider Museen sind allerdings etwa gleich groß. Damit scheint man es in Kairo an diesem „historischen“ Tag aber nicht so genau zu nehmen.
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