UNO will keine Russen für Golan-Mission

epa03734767 Russian President Vladimir Putin speaks during a meeting dedicated to the implementation of presidential executive orders signed on 07 May 2012, the day of his inauguration, at the Kremlin in Moscow, Russia, 07 June 2013. Vladimir Putin and his wife Lyudmila announced on 06 June 2013 on state television that they were divorcing after 29 years of marriage. EPA/ALEXEY NIKOLSKY / RIA NOVOSTI / KREMLIN POOL MANDATORY CREDIT
Putin bot an, russische Friedenstruppen auf den Golan zu schicken - die UNO lehnte ab.

Russland wäre bereit, die Friedenstruppen aus Österreich auf Ersuchen der Vereinten Nationen zu ersetzen. Diesen Vorschlag machte am Freitag der russische Präsident Wladimir Putin, berichtet Ria Novosti. "Natürlich gilt das nur für den Fall, dass die regionalen Mächte daran interessiert sind und der UN-Generalsekretär uns darum bittet", sagte Putin bei einem Treffen mit Offizieren in Moskau.

Das ist aber nicht der Fall: Als einer der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats dürfe sich Russland an den Friedensmissionen der UNO nicht beteiligen, erklärte ein Sprecher von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon als Reaktion auf Putins Angebot. Moskau ist zudem ein enger Partner des syrischen Machthabers al-Assad.

Die Blauhelm-Soldaten überwachen seit 1974 auf dem Golan den Waffenstillstand zwischen Israel und Syrien. Österreich hatte am Donnerstag den Rückzug seines 380-Mann-starken UN-Kontingents angekündigt. In den vergangenen Monaten hatten bereits Japan und Kroatien ihre Soldaten abgezogen. Gegenwärtig stellen noch Indien und die Philippinen Truppen, doch auch die weitere Präsenz dieser Truppen ist fraglich. Der UNO-Sicherheitsrat trat am Freitag zu einer Sondersitzung zur Golan-Mission zusammen.

UNO bedauert Österreichs Entscheidung

Ban Ki-moon bedauerte die Entscheidung Österreichs. Er sorge sich um die möglichen Konsequenzen des Rückzugs, sowohl auf den Friedenseinsatz als auch auf die Stabilität in der Region, sagte Bans Sprecher. "Österreich war offensichtlich ein entscheidender Teil der Mission. Der Rückzug wird ihre Handlungsfähigkeit beeinträchtigen."

Auch Israel reagierte offiziell mit Bedauern. "Wir wissen den langjährigen Beitrag Österreichs und seine Verpflichtung zum Schutz des Friedens in Nahost zu schätzen. Gleichzeitig bedauern wir diese Entscheidung und hoffen, dass sie nicht zu einer weiteren Eskalation in der Region führen wird", sagte ein Sprecher des Außenministeriums.

Informell zeigte sich die israelische Regierung verärgert über den Abzug. "Das sendet eine sehr problematische Botschaft an die israelische Öffentlichkeit", zitierte der britische Guardian einen hochrangigen Offiziellen. "Der einzige Grund, warum man überhaupt jemanden dorthaben will, ist wegen schwieriger Zeiten. Das erste Mal in 40 Jahren ist es nicht so einfach, und die Präsenz endet?".

Auch Schweden zeigte sich enttäuscht von Österreich. Die Entscheidung zum Abzug sei "bedauerlich", twitterte der schwedische Außenminister Carl Bildt. Er habe jedoch vor einem Scheitern der Einigung auf ein EU-Waffenembargo gewarnt, schrieb Bildt am Rande der Bilderberg-Konferenz im britischen Watford.

Klug verteidigt den Schritt

Verteidigungsminister Gerald Klug reagierte im Ö1-Morgenjournal auf die kritischen Stimmen – und verteidigte den Abzug. Sein Argument: In den letzten Wochen habe sich die Lage zugespitzt, seit Donnerstag sei sie „nicht mehr beherrschbar“. Es bestehe „große Wiederholungsgefahr“ für einen neuerlichen Angriff – dies sei definitiv keine Flucht, so der Minister.

Die Entscheidung, diesen Schritt in dieser Schnelle zu setzen, verteidigte er ebenso: Dies sei richtig gewesen – schließlich habe die UNO zwei bis vier Wochen Zeit, einen Ersatz zu suchen. Eine Einschätzung, ob und wie die Mission fortgeführt werden könne, wollte Klug nicht abgeben.

Nach dem vorübergehenden Rückzug der syrischen Rebellen aus der Stadt Quneitra in der Truppentrennungszone am Golan gab es Freitagfrüh wieder ein heftiges Gefecht mit schweren Waffen. Diesmal ging es nicht allein um den syrischen Militärpolizeiposten in der für die UNO strategisch wichtigen Stadt. Es war eine Schlacht um die ganze Stadt. Mitten drinnen die Blauhelme - und der KURIER war auch dabei.

Es war ein Kampf um ein Ruinenfeld. In der Stadt lebt kein Mensch mehr. Sie wurde während des Yom Kippur Krieges 1974 von den Israelis dem Erboden gleichgemacht, und vom Assad-Regime als Mahnmal in diesem Zustand belassen. Der nördliche Teil wird von den österreichischen Blauhelmen überwacht, der südliche gehört dem philippinischen UN-Bataillon.

Schlag und Gegenschlag

In der Nacht verschanzten sich die Tags zuvor abgezogenen Rebellen breitflächig im gesamten Stadtgebiet. Der Gegenschlag der syrischen Regierungsarmee startete in den frühen Morgenstunden - vor den Augen des KURIER-Reporters. Es begann am nördlichen Stadtrand bei den Österreichern mit Gewehrfeuer, das sich immer wieder verlagerte. Offenbar wurde hier um einzelne Ruinen gekämpft. Gegen 6 Uhr 30 steigert sich der Lärm durch heftigstes Maschinengewehrfeuer. Scheinbar hatten die Regierungssoldaten im Norden Verstärkung erhalten, und schossen die MG-Läufe heiß. Das Gewehrfeuer erfasste schließlich das gesamte Stadtgebiet. Die ersten Brände entstanden. Die Position 22 der Österreicher wäre fast zum Greifen nahe, doch sie ist durch eine Rauchwand plötzlich nicht mehr zu sehen. Am nördlichen Stadtrand, der auf einem Abhang liegt, entwickelte sich ein Flächenband, der den gesamten Berg erfasste.

UNO will keine Russen für Golan-Mission
Golan 7.6.2013
Plötzlich wurde es im Sektor der Philippinen extrem laut. Ein schwerer Kampfpanzer der Regierungsarmee schoss sich im Südsektor auf eine zerstörte Moschee ein. Im Lauf der Zeit feuert er etwa 15 Granaten auf die Moschee und die umliegenden Häuser ab. Aus größerer Entfernung wurde er von einem weiteren Kampfpanzer unterstützt. Dann kam auch noch das Feuer einer Maschinenkanone dazu - vermutlich ein Luftabwehrgeschütz in der Erdzielbekämpfung. Damit ist eines klar: Zumindest im philippinischen Sektor setzten die Syrer schwere Waffen ein, die sie nach dem Waffenstillstandsabkommen gar nicht in der entmilitarisierten Zone haben dürften.

Nach etwa drei Stunden schien der Spuk beendet. Regierungssoldaten wie Rebellen schienen wie vom Erdboden verschluckt. Nur die Brände breiteten sich unkontrolliert weiter aus. Es war aber eine trügerische Ruhe. Der Kampf um Quneitra ist zwischenzeitlich neu aufgeflammt.

Als "bedauerlich" und "nicht nachvollziehbar" hat der Militärexperte und frühere Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium, Erich Reiter, Österreichs Entscheidung zum Abzug der UNO-Soldaten vom Golan bezeichnet. "Österreich verzichtet damit auf den einzigen maßgeblichen Beitrag, den es zur Mitwirkung am Weltfrieden leistet", kritisierte Reiter im Gespräch mit der APA.

"Das zeigt wie hohl die österreichische Sicherheitspolitik ist - sobald es gefährlich wird, ziehen wir ab," konstatierte Reiter harsch. Aus militärisch-strategischer Sicht sei der Schritt "nicht notwendig" gewesen. Denn es sei nicht davon auszugehen, dass UNO-Soldaten direkt angegriffen würden, auch wenn sie von Kampfhandlungen betroffen sein könnten, so der Präsident des Internationalen Instituts für Liberale Politik (IILP).

Die Entscheidung zum Abzug der rund 380 Soldaten von der UNO-Mission auf den Golan-Höhen bedeutet angesichts der Truppenstärke, die Österreich stellte, nach Meinung des Sicherheitsexperten wahrscheinlich auch das Ende der UNO-Mission. "Sollte ein anderes Land für uns einspringen, sind wir blamiert," so Reiter.

Wenn die internationale Friedensarbeit letztlich danach beurteilt werde, ob die Situation gefährlich werden könne und nicht ob sie notwendig sei, zeige dies die "unrealistische Einstellung zur Aufgabe der Soldaten in Österreich". Hierzulande seien Soldaten nämlich "nicht dazu da, im Krieg zu sein, sondern um nach dem Hochwasser den Schlamm wegzuräumen," kritisierte Reiter. "Die Aufgabe von Soldaten ist immer gefährlich".

Es ist gerade einmal zehn Tage her, dass die Regierung noch keinen Grund sah, die österreichischen UN-Soldaten vom Golan abzuziehen. Nach Ende des EU-Waffenembargos gegen Syrien werde man, trotz vorheriger Abzugsdrohung, die Lage weiter beobachten und „tagesgleich“ entscheiden.

Gestern musste minutengleich entschieden werden: Syrische Rebellen hatten in der Pufferzone den Grenzposten Quneitra eingenommen, die syrische Armee begann wenig später mit der Rückeroberung. Und mitten im schweren Artilleriefeuer und Panzerbeschuss: die Österreicher, deren Versorgung nur noch über diesen Grenzposten erfolgt.

Der Beschluss, unsere 380 Blauhelme vom Golan abzuziehen, ist die logische Folge und richtig.

Denn der UNO-Mission ist schon seit geraumer Zeit jeder Boden entzogen. Fast vier Jahrzehnte haben die Soldaten ihren Auftrag, Syrien und Israel auseinanderzuhalten, erfolgreich erfüllt. Das größte Kontingent stellte dabei Österreich. Doch inzwischen ist die sogenannte entmilitarisierte Zone zum Schlachtfeld im syrischen Bürgerkrieg geworden – Rebellengruppen haben sich festgesetzt und liefern sich schwere Gefechte mit den Assad-Truppen. Die Blauhelme können, wenn sie nicht gerade vorübergehend entführt werden, nur den Kopf einziehen und zuschauen.

Sturmgewehre gegen Krieg

Wenn Spaßvögel jetzt meinen, dass Soldaten mit gutem Sold eben nicht nur bei schönem Wetter, sondern auch im Krieg die Stellung zu halten haben, dann dürfen sie sich mit diesem Vorwurf nicht an Österreich, sondern allenfalls an die UNO wenden. Die Blauhelme der friedenserhaltenden Mission sind zur Verteidigung mit kugelsicheren Westen und Sturmgewehren ausgerüstet. Ansonsten bleibt ihnen nur der Bunker.

Das Gegenteil der Feigheit ist wahr: Die Österreicher haben so lange wie möglich ausgehalten. Und auch die Kritik der heimischen Opposition und/oder der Boulevardmedien daran geht fehl: Mit dem österreichischen Kontingent stand und fällt nun vermutlich die gesamte UNO-Mission – deren Auftrag ja immer noch ist, Syrien und Israel zu separieren. Ihr Ende bedeutet eine dramatische Verschärfung der Lage: Israel hat schon mehrfach präventiv Ziele in Syrien angegriffen (Waffenlieferungen an die Hisbollah), das syrische Regime droht, auch wenn es gegenwärtig ganz andere Sorgen hat, immer lauter mit Vergeltung. Fällt der Puffer zwischen den beiden Staaten weg, dann ist eine Eskalation hochgradig wahrscheinlich bis unvermeidlich.

Die Verantwortung, das zu verhindern, hat Österreich so lange wie möglich getragen. Jetzt geht es nicht mehr, ohne zum Kanonenfutter zu werden. Der anlaufende heimische Wahlkampf hat die Entscheidung vielleicht erleichtert. Unvermeidlich war sie so und so. Jetzt müssen die österreichischen Blauhelme nur noch gut aus dem Krieg kommen.

Kommentare