Neue Welthauptstadt der Diplomatie: Wie Doha Wien und Genf den Rang ablief

Skyline von Katars Hauptstadt Doha
Wenn es wieder einmal Spitz auf Knopf steht oder es letzte diplomatische Überzeugungskraft braucht, greift Scheich Tamam bin Hamad al-Thani höchstselbst zum Telefon. „Der Emir von Katar ist rund um die Uhr in alle laufenden Mediationsprozesse involviert“, weiß Erika Bernhard, Österreichs Botschafterin in Doha. Diplomaten, die den 45-jährigen Herrscher näher kennen, bestätigen auch: „Es ist ihm ein persönliches Anliegen zu vermitteln – natürlich möglichst erfolgreich.“
Mit rund zehn internationalen Vermittlungsbemühungen ist das kleine Golfemirat derzeit beschäftigt. Die mit Abstand heikelste davon: Der Versuch, zwischen Israel und der Hamas einen Waffenstillstand und die Übergabe der israelischen Geiseln auszuhandeln. Zwischen verschiedenen Gebäuden in Doha oder auch nur in verschiedenen Sälen der Wolkenkratzer düsen Katars Emissäre dann hin und her, einmal mit den Bedingungen Israels, dann mit jenen der Terrorgruppe der Hamas.
Derzeit treten die Vermittlungsbemühungen wieder auf der Stelle. Doch Doha, mit seinen Kontakten zur Hamas und zu seiner distanziert-pragmatischen Haltung zu Israel, bleibt am Ball.
Weltdiplomatie
Den bis dato wichtigsten Orten für Vermittlungsbemühungen – Genf, Wien, Oslo – hat das Golfemirat den Rang abgelaufen. In nur wenigen Jahren hat sich Doha den Ruf einer der wichtigsten Städte der Weltdiplomatie erarbeitet:
Es verhandelte den Abzug von US-Truppen aus Afghanistan mit, die Rückkehr ukrainischer Kinder aus Russland, ein Abkommen zwischen Ruanda und Kongo, beruhigte zwischen USA und Venezuela, erzielte einen kurzen Waffenstillstand in Gaza und erwirkte die Freilassung israelischer Geiseln aus der Gewalt der Hamas. Auch die Befreiung der österreichisch-israelischen Geisel Tal Shoham wäre ohne die Hilfe Katars nicht möglich gewesen.
Eine Gegenleistung für all die Unterstützung habe Katar nie verlangt, wird aus diplomatischen Kreisen bestätigt. Es gehe dem Emir, seinem kleinen Verhandlerteam, aber mittlerweile auch dem ganzen Emirat um „Ansehen für das ganze Land“. Überraschend sei das nicht. Österreichs Botschafterin in Doha: „In der katarischen Verfassung ist festgeschrieben, dass sich das Emirat zu Friedensprozessen verpflichtet.“
Dass Katar seit Jahren ausgerechnet der Politspitze der Terrororganisation Hamas eine Bleibe anbietet, sehen Diplomaten dabei nicht als Hindernis. Dies sei auf ausdrücklichen Wunsch der USA hin geschehen. Dadurch hätten die USA via Emirat stets einen offenen Gesprächskanal zur Hamas .
Seit Katar in den 1990er-Jahren auf Gas stieß und zum weltweit führenden Exporteur von Flüssiggas (LNG) aufstieg, wurde das kleine, ehemalige britische Protektorat mit seinen knapp drei Millionen Einwohnern steinreich. Doch Scheich al-Thani wollte für sein Emirat mehr: Globale Bedeutung und vor allem Sicherheit inmitten bedrohlicher Nachbarn wie Iran und Saudi-Arabien.

Fußballfan: Der Emir von Katar kaufte 2011 den französischen Club Paris Saint-German
Fußball WM 2022
Mit der Gründung des arabischen TV-Senders Al Jazeera brachte er Katar erstmals auf die Weltbühne. Die Fußball-WM 2022 katapultierte das Emirat trotz aller Aufregung um miserable Arbeitsrechte rund um den Bau der Stadien endgültig ins globale Scheinwerferlicht.
Sicherheitsschirm
Die wohl wichtigste Investition tätigte Katar mit dem Bau des Luftwaffenstützpunktes al-Udeid. 10.000 US-Soldaten sind dort stationiert. Sie breiten indirekt einen gewaltigen Sicherheitsschirm über Katar aus.
Doch zusätzlichen Schutz bietet dem kleinen Emirat die weltweite Wahrnehmung als global wichtiger Akteur. Was Katar dabei gewinne, meint ein hoher Diplomat gegenüber dem KURIER, „ist Vertrauen und Status, mehr und bessere Beziehungen.“ Einen der großen Vorteile, den Katar in seiner internationalen Rolle genießt, ist unermesslicher Reichtum. Die konservative muslimische Monarchie kann große Summen ausgeben, ohne erst lange bürokratische Bewilligungswege zu durchlaufen. Wenn Scheich Tamim bin Hamad al-Thani es für nötig hält, Millionen für ein Vermittlungsziel auszugeben, fließen die Dollars nach einer schnellen Unterschrift.

US-Präsident Trump zu Gast beim Emir in Katar
Beste Verbindungen
Viel Geld floss dabei in Richtung USA. Amerikas Finanz- und Politikelite wird seit Jahren von Doha eifrig umworben, beste Kontakte pflegt Katar seit je her zum republikanischen Umfeld von US-Präsident Donald Trump. Vor sechs Jahren engagierte Katar Pam Bondi, heute Trumps Justizministerin, als Beraterin. Auch Kash Patel, heute FBI-Direktor, war kurzzeitig beratend für das Golfemirat tätig.
Und nicht zuletzt kaufte Katar 2023 um schlanke 600 Millionen Dollar ein wackelndes Immobilienprojekt von Steve Witkoff auf. Der ist heute der Nahost-Chefverhandler des US-Präsidenten und hat wenig überraschend nur überschwängliches Lob über den eifrigen Friedensvermittler Katar im Gepäck.
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