Zum zweiten Mal binnen eines Monats reiste das prominente Trio aus der EU am Sonntag nach Tunis: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni und der bald abtretende niederländische Premier Mark Rutte haben sich mit Tunesiens Staatschef Kais Saied auf einen Vorvertrag für ein Migrationsabkommen geeinigt.
Nach dem Vorbild des 2016 mit der Türkei geschlossenen Deals soll auch Tunesien künftig viel strengere Grenzkontrollen einführen, seine Küsten genauer bewachen und Migranten daran hindern, in Boote zu steigen und übers Meer nach Europa fahren.
„Wir haben ein gutes Paket. Jetzt ist es Zeit, es umzusetzen“, sagte Von der Leyen mit Blick auf die Absichtserklärung. Saied fügte hinzu: „Wir sind fest entschlossen, sie schnellstmöglich umzusetzen.“ Er sprach beim Thema Migration von einer „unmenschlichen Situation“, die im Kollektiv gelöst werden müsse.
Von den Küsten Tunesiens aus sind heuer mit Abstand die meisten Migranten nach Europa gestartet: Rund 70.000 Menschen landeten seit Jahresbeginn allein im nur 150 Kilometer entfernten Italien. Das bringt die italienische Regierungschefin Meloni massiv unter Druck.
Die Rechts-Politikern hatte vor ihrer Wahl im Vorjahr versprochen, die Migrationszahlen massiv einzudämmen.
Milliardenhilfe
Im Gegenzug zu einem Deal mit der EU soll das unter einer schweren wirtschaftlichen Krise leidende Tunesien Hilfe Brüssels erhalten. Rund eine Milliarde Euro wird dem nordafrikanischen Land versprochen. Weitere 100 Millionen Euro soll Tunesien erhalten, um seine Grenz- und Küstenwachen auszubauen und gegen Schlepper vorzugehen.
Doch Tunesiens Präsident Saied erweist sich für das Trio aus Europa als ebenso schwieriges Gegenüber wie der türkische Staatschef Erdoğan.
Bereits nach dem ersten Besuch der EU-Kommissionschefin empörte sich Saied: „Wir sind nicht die Grenzwächter für andere Staaten.“ Zudem entfachte der zunehmen autoritär regierende Staatschef bereits im Februar mit fremdenfeindlichen Äußerungen eine Welle von Übergriffen gegen die Migranten.
Ausgesetzt
Mehrere Tausend Menschen aus Zentralafrika sind in Tunesien gestrandet. Sie warten dort, meist ohne feste Unterkunft, Job und Versorgung , auf eine Überfahrt nach Europa.
Um die aus der Sicht vieler Tunesier unerwünschten Migranten wieder loszuwerden, sammelte die Polizei zu Monatsbeginn Migrantengruppen ein und setzte sie einfach in der Wüste nahe der Grenze zu Libyen aus.
Essen und Wasser wurde ihnen nicht mitgegeben, ohne Schatten hätte ihnen bald der Tod gedroht. Erst als verzweifelte Hilferufe Menschenrechtsorganisationen erreichten, wurden die Ausgesetzten in eine Unterkunft gebracht.
Für Tunesiens Präsident Saied aber sind diese Nachrichten nichts als Lügen: „Diese Migranten werden menschlich behandelt“, sagte er. „Unser Verhalten steht im Gegensatz zu dem, was koloniale Kreise und ihre Agenten verbreiten.“
Am kommenden Sonntag wird nun findet in Rom eine internationale Migrations-Konferenz stattfinden, kündigte die italienische Premierministerin Meloni am Ende des Treffens mit Tunesiens Präsident Kais Saied an. An dem Treffen sollen Saied und mehrere andere Staats- und Regierungschefs aus dem Mittelmeerraum teilnehmen.
„Ich sehe dieses Abkommen als den Beginn eines Weges, der eine neue Partnerschaft als in der Vergangenheit ermöglichen kann"; sagte Meloni. „Diese Art von Partnerschaft wäre bis vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen, und ich sage das mit Stolz, aber auch mit Dankbarkeit gegenüber der EU-Kommission. Das Memorandum ist ein Startpunkt“, erklärte Meloni.
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