Geheime Kontakte zu Rüstungslobby? Frontex zunehmend unter Druck

Geheime Kontakte zu Rüstungslobby? Frontex zunehmend unter Druck
Böhmermann veröffentlichte "Frontex Files". Auch Glock und AIT auf den Teilnehmerlisten der geheim gehaltenen Treffen

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex gerät nun auch wegen verschwiegener Kontakte mit der Rüstungslobby unter Druck. Wie der deutsche Satiriker Jan Böhmermann am Wochenende enthüllte, hat es von 2017 bis 2019 insgesamt 2016 Lobby-Treffen von Frontex gegeben. Die Teilnehmerliste lese sich "wie das Who-is-Who der Rüstungsindustrie". Dabei habe die Agentur gegenüber Böhmermanns "ZDF Magazin Royale" beteuert: "Frontex trifft sich nicht mit Lobbyisten."

Böhmermanns Team hat gemeinsam mit der NGO "Frag den Staat" insgesamt 142 Dokumente von 16 Industrie-Meetings ausgewertet, das es auf Basis von Anfragen ach dem Informationsfreiheitsgesetz der Europäischen Union erhalten habe. Die Dokumente sind seit Freitagabend auf der Seite http://frontexfiles.eu abrufbar. Bei den Treffen waren zahlreiche Rüstungsunternehmen wie Airbus oder Heckler&Koch dabei, aber auch die österreichische Waffenschmiede Glock. Auch das mehrheitlich im österreichischen Staatsbesitz stehende "Austrian Institute Of Technology" (AIT) findet sich mehrmals als Teilnehmer der Treffen mit Vertretern der Behörde, die im Zuge ihres rapiden Wachstums zahlreiche lukrative Aufträge zu vergeben hat.

Frontex selbst hatte die Einladungen zu den Lobby-Treffen nur teilweise auf der Website veröffentlicht, nicht aber die Liste der Teilnehmer. Zudem soll Frontex gegenüber dem EU-Parlament falsche Angaben zu den Kontakten gemacht haben. So habe die Agentur im Jahr 2018 in einer Anfragebeantwortung betont, dass nur im Transparenzregister der EU registrierte Lobbyisten getroffen worden seien, jährlich ein Überblick über solche Treffen auf der Website veröffentlicht werde und es im Jahr 2017 überhaupt keine Treffen dieser Art gegeben habe.

"Das stimmt nicht. Allein 2017 hat Frontex vier Meetings mit Lobby-Vertreter*innen abgehalten. 58 Prozent der Teilnehmenden waren nicht im EU-Transparenzregister gelistet. In den Treffen 2018 und 2019 waren 72 Prozent (91 von 125) der Lobbyist*innen nicht registriert", heißt es auf der von Böhmermanns Team eigens freigeschalteten Seite "frontexfiles.eu".

Frontex ist die derzeit am schnellsten wachsende EU-Behörde. Sie soll bis zum Jahr 2027 mit Milliardenbeträgen aus dem EU-Budget zu einer richtigen Polizeitruppe mit 10.000 Beamten hochgerüstet werden. Ihrer Tätigkeit nachgehen sollen die Frontex-Beamten nicht nur mit Autos und Flugzeugen, sondern auch mit Drohnen und Waffen.

Aus Sicht der Menschenrechte höchst umstritten ist die Bewaffnung der Frontex-Beamten, da die Europäische Union nicht direkt der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unterworfen ist. Kritiker sehen darin ein Schlupfloch, das es ermöglichen würde, mit Migranten an den EU-Außengrenzen auf eine Art und Weise zu verfahren, die auf nationalstaatlicher Ebene untersagt wäre. Schon jetzt steht Frontex wegen den Vorwurfs, illegale Pushbacks an den EU-Außengrenzen zu praktizieren, in der Kritik. Nach entsprechenden Berichten hatte auch die EU-Betrugsbehörde OLAF Ermittlungen aufgenommen. OLAF ermittelt laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" auch wegen eines Betrugsfalls im Zusammenhang mit einem polnischen IT-Unternehmen.

Deutsche Grün-Politiker forderten Konsequenzen für Frontex. Der Europaabgeordnete Erik Marquardt verlangte am Samstag in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa eine bessere Kontrolle und mehr Einsichtsrechte durch die EU-Volksvertretung. Die grüne Bundestagsabgeordnete Katrin Göring-Eckhardt forderte am Samstag in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe, dass Frontex "neu aufgestellt werden" müsse. Die Europäischen Staaten hätten Frontex in den vergangenen Jahren mit "immer mehr Mitteln und Kompetenzen aufgeblasen, aber auf eine Kontrolle dieser wildwüchsigen Grenzagentur verzichtet".

Der Chef der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, forderte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP als Konsequenz aus den diversen Skandalen den Abzug deutscher Polizisten aus der Grenzschutzbehörde. Zudem reiche es nicht aus, nur die Spitze der Behörde auszutauschen. "Es muss einen EU-Untersuchungsausschuss geben, der der Verantwortlichkeit innerhalb der EU-Kommission auf den Grund geht", sagte Burkhardt.

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