Brisante Pläne mit US-Agentur: Wie Israel 500.000 Menschen aus Gaza umsiedeln will

Krieg belebt das Geschäft – diesem zynischen Spruch verleihen jüngste Enthüllungen um Israels Pläne für die Zukunft des Gazastreifens in diesen Tagen neues Gewicht. Während die israelische Armee die meisten internationalen Hilfsorganisationen seit Monaten daran hindert, ihrer Arbeit im Kriegsgebiet nachzugehen, arbeitet sie zunehmend mit Privatkonzernen zusammen.
So wird die Verteilung von Hilfsgütern seit Ende Mai von der umstrittenen Gaza Humanitarian Foundation (GHF) organisiert – einer erst im Februar gegründeten, angeblich nicht-gewinnorientierten Stiftung aus den USA, die ihre Geldgeber nicht offenlegt.
Laut palästinensischen Angaben wurden in den sechs Wochen, in denen die GHF im Gazastreifen operiert, mehr als 400 Zivilisten rund um die Verteilungszentren getötet.
Brisante Pläne von US-Unternehmensberatung BCG
Wie die Financial Times (FT) nun aufdeckten, geht die Gründung der GHF auf die Arbeit der renommierten Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zurück.
Der Riesenkonzern aus den USA sei bereits im Februar – unmittelbar, nachdem US-Präsident Donald Trump erstmals über einen Umbau des Gazastreifens zu einer „Riviera des Nahen Ostens“ spekuliert hatte – von einem israelischen Thinktank beauftragt worden, zu errechnen, wie viel Geld und Personal nötig wäre, um die Versorgung in Gaza sicherzustellen.
Doch damit nicht genug: Laut dem FT-Bericht beschäftigte sich eine größere BCG-Arbeitsgruppe bereits seit sieben Monaten intensiv mit Plänen für einen Wiederaufbau des Gazastreifens nach einem möglichen Kriegsende. Unter anderem erstellten die Berater ein Finanzmodell, in dem die geschätzten Kosten einer Umsiedelungsstrategie für Hunderttausende Palästinenser vorgerechnet werden.

US-Präsident Donald Trump empfing den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Washington. Die beiden planen eine Zukunft des Gazastreifens ohne Palästinenser.
Dabei empfahlen sie, rund 500.000 Palästinensern „Umsiedlungspakete“ im Wert von jeweils 9.000 Dollar auszuhändigen, wenn sie sich bereit erklären, Gaza zu verlassen. In dem Beispiel würden ein Viertel der Gaza-Bewohner das Angebot annehmen.
Die Gesamtkosten lägen laut diesem Modell bei mehr als fünf Milliarden Dollar. Damit, so rechnet die Agentur vor, wäre diese Strategie günstiger als eine „fortlaufende Unterstützung“ der palästinensischen Zivilbevölkerung während des Wiederaufbaus: Das würde demnach pro zu versorgendem Zivilisten jährlich 23.000 Dollar kosten.
Auch Tony-Blair-Institut arbeitete Gaza-Pläne aus
Die BCG ist nicht die einzige Agentur, die im Auftrag Israels Pläne ausarbeitete. So präsentierte auch das vom britischen Ex-Premier Tony Blair gegründete Tony Blair Institute Pläne für einen Neuaufbau Gazas. Darin ist von künstlichen Inseln nach dem Vorbild Dubais, Sonderwirtschaftszonen sowie einer „Elon Musk Smart Manufacturing Zone“ die Rede.
Doch die Agentur betont: „Es ging nie darum, Einwohner von Gaza umzusiedeln. Das haben wir nie unterstützt.“

Auch das Institut des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair entwickelte eigene Pläne für die Zukunft des Gazastreifens.
Auch die Boston Consulting Group hat sich mittlerweile von den eigenen Plänen distanziert. Geschäftsführer Christoph Schweizer erklärte, die israelischen Auftraggeber hätten „uns glauben lassen, dass das Projekt breite Unterstützung aus mehreren Ländern und NGOs genießt“.
Zwei leitende Mitarbeiter hätten die Arbeit an den Umsiedlungsplänen „unautorisiert“ vorangetrieben. Beide seien entlassen worden.
"Ethnische Säuberungen sind ein Kriegsverbrechen"
Die Beratungsagentur sorgt sich wohl nicht nur um ihren Ruf, denn die Pläne dürften gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen. „Ethnische Säuberungen sind ein Kriegsverbrechen“, sagt Völkerrechtsexperte Ralph Janik zum KURIER. Das gelte bereits für sogenannte „genuin freiwillige" Umsiedelungen."

Palästinensischen Zivilisten jeweils 9.000 Dollar zu schenken, wenn sie dafür das Gebeit verlassen, sei die günstigste Strategie, rechneten Berater der Boston Consulting Group (BCG) vor.
Doch der von BCG erstellte Umsiedlungsplan passt auffällig zur Strategie der israelischen Regierung, die Verteidigungsminister Israel Katz nun bestätigte: Sollte es zu einer 60-tägigen Feuerpause kommen, wolle man in diesem Zeitraum ein riesiges Auffanglager für 600.000 Palästinenser im Süden des Gazastreifens errichten.
Dieses Lager solle von „internationalen Partnern“ verwaltet werden. Hilfsorganisationen werden wohl leer ausgehen.
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