Welchen psychischen und physischen Qualen die Hamas-Geiseln ausgesetzt sind

Ohad Ben-Ami kam nach fast 500 Tagen Geiselhaft frei – sein Gesundheitszustand gilt als sehr schlecht
„Ich war angebunden in einem dunklen Tunnel, ohne Frischluft, ohne Licht. Ich konnte weder stehen noch gehen. Erst als der Tag der Freilassung kam, nahmen sie mir die Ketten ab, und ich lernte wieder gehen.“
Die Berichte der jüngst freigelassenen Geiseln der Hamas lassen erahnen, welche Torturen sie in den fast 500 Tagen seit ihrer Verschleppung aus Israel am 7. Oktober 2023 durchgemacht haben – und welchen Qualen die noch verbliebenen Geiseln weiterhin ausgesetzt sind. Seit Montag mit schwindender Hoffnung: Denn die Hamas will vorerst keine weiteren Verschleppten freilassen.
Ohad Ben Ami, 56, Or Levy, 34, und Eli Scharabi, 52, waren am Wochenende gemäß des Deals zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas freigekommen. Unisono berichten sie von unmenschlichen und furchtbaren Zuständen: Sie mussten auf dem Boden schlafen, mussten sich eine Decke teilen, nur alle paar Monate durften sie duschen. Sie wurden gefoltert – physisch wie psychisch.
Fälschlicherweise wurde ihnen immer wieder gesagt, dass sie jetzt nach Israel zurückkehren könnten, ehe sich die Entführer an der folgenden Enttäuschung delektierten. Und sie erhielten viel zu wenig zu essen, das Hungergefühl wurde dadurch gesteigert, dass Hamas-Wächter genüsslich vor den Ausgezehrten ihre Mahlzeiten einnahmen.
Sie würden wie „Holocaust-Überlebende“ aussehen, formulierte Israels Außenminister Gideon Saar drastisch auf der Plattform X. Tatsächlich präsentierte sich das Trio extrem abgemagert und wegen der „brutalen, unmenschlichen Bedingungen“, wie es Medizinprofessor Hagai Levine nannte, in einem allgemein sehr schlechten gesundheitlichen Gesamtzustand. Teilweise seien Organe geschädigt. Für die verbliebenen Geiseln im Gazastreifen herrsche „unmittelbare Lebensgefahr“.
Vater schloss Sohn in die Arme
Or Levy etwa, der bei dem Hamas-Überfall seine Frau, die Mutter des gemeinsamen Sohnes, verloren hatte, war zunächst zu schwach, den Dreijährigen sofort in die Arme zu schließen. Nach einer „Video-Begegnung“ hatte der Mann erst zwei Tage später direkten Kontakt. Der Bub dann zu seinem Vater: „Es hat lange gedauert, bis du wieder gekommen bist.“
Todesnachricht
Diese familiäre Wiedervereinigung blieb Eli Scharabi verwehrt. Er erfuhr erst jetzt nach seiner Rückkehr nach Israel, dass seine Ehefrau, seine beiden Töchter – damals 13 und 16 Jahre alt – und sein Bruder von den Terroristen am 7. Oktober 2023 ermordet worden waren. Auf Aufnahmen war der gebrochene Mann in den Armen seiner Mutter und Schwester zu sehen.
An dem schwärzesten Tag in der Geschichte Israels hatten Hamas-Kämpfer vom Gazastreifen aus den Zaun zu Israel durchbrochen und rund 1.200 Menschen getötet sowie rund 250 entführt. Nach Freilassungen und Befreiungsaktionen durch Israels Streitkräfte befinden sich noch mehr als 70 Verschleppte im Gazastreifen, von denen rund die Hälfte noch am Leben sein dürfte.

Demo in Israel für einen umfassenden Geiseldeal und ein Ende des Krieges
So wohl auch Eliya Cohen, die unter ähnlich grausamen Bedingungen festgehalten wird, wie das eben freigekommene Männer-Trio. Ihre Mutter Sigi Cohan griff daher – wie schon andere Geisel-Angehörige davor – Regierungskreise an, die gegen Deals mit der Hamas waren und sind: „Gebt doch eure eigenen Kinder her. Ich bin nicht bereit, mein Kind zu opfern.“
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