Gabriel zeigte Neonazis Stinkefinger: Darf der das?

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SPD-Chef Sigmar Gabriel hat pöbelnden Neonazis den Mittelfinger gezeigt. Deutsche Medien treibt dabei vor allem eine Frage um.

Wenn Sigmar Gabriel findet, dass ihm einer zu blöd kommt, dann fackelt er für gewöhnlich nicht lange. Das musste auch schon so mancher Journalist feststellen. Der minutenlange Schlagabtausch zwischen einem pikierten SPD-Chef Gabriel und der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka in einem Interview im Heute Journal gehört nach wie vor zu den wenigen unterhaltsamen Episoden deutscher Innenpolitik (mehr dazu hier). Vorwärtsverteidigung würde man im Fußball-Deutsch wohl dazu sagen.

Im Vorfeld zu einer Wahlkampfveranstaltung im niedersächsichen Salzgitter ließ sich Gabriel nun erneut zu einer weniger staatsmännischen Aktion hinreißen. Nur dass er diesmal keine rhetorischen Angriffe auspackte, sondern gleich auf den gemeinen Stinkefinger zurückgriff.

Der Zwischenfall ereignete sich bereits vergangenen Freitag. Vermummte Neonazis versuchten den Auftritt Gabriels zu stören, beschimpften ihn als "Volksverräter" und nahmen auch Bezug zu seinem Vater. "Der hat sein Land wenigstens noch geliebt. Und was machst du? Du zerstörst es", schimpfte einer der rechten Störer. Der 2012 verstorbene Walter Gabriel war selbst überzeugter Nationalsozialist - "bis zu seinem letzten Atemzug", zitiert Spiegel Online den SPD-Chef.

In einem Video, das erst heute, Dienstag, publik wurde, ist Gabriel zu sehen, wie er zunächst mit einem müden Lächeln auf die Störenfriede reagiert, erst abwinkt und dann den Stinkefinger zeigt.

Deutsche Medien wollen seitdem vor allem eine Frage geklärt wissen: Darf der Mann, der immerhin Vizekanzler, Wirtschaftsminister und SPD-Chef ist, das denn überhaupt? Die Frage ist dabei fast rhetorisch zu verstehen - denn wenn er's wirklich einfach so dürfte, wäre es kaum ein Thema, das Spiegel Online immerhin für wichtig genug befand, um es am Mittwochabend zum Seitenaufmacher zu machen.

Raute vs. Stinkefinger

Welche Wogen so ein kleiner gestreckter Finger in Deutschland schlagen kann, musste in der Vergangenheit schon einmal ein SPD-Kanzlerkandidat feststellen. Peer Steinbrück ließ sich 2013 im "SZ-Magazin" mit der unschönen Geste fotografieren. Eine bewusste Inszenierung war das damals, keine spontane Geste wie bei Gabriel jetzt - die Frage war jedoch dieselbe: Ist das eines Staatsmannes wirklich würdig?

Gabriel zeigte Neonazis Stinkefinger: Darf der das?
epa03864705 An undated handout image made available on 12 September 2013 shows Social Democratic Party Germany (SPD) German Chancellor candidate Peer Steinbrueck sticking out his middle finger on the cover of the current issue of the German Sueddeutsch Zeitung Magazine (SZ) in Muencheberg, Germany. He will be on the cover of the magazine starting on 13 September 2013, around one week before the German federal elections being on 22 September. EPA/ALFRED STEFFEN / SZ MAGAZIN / HANDOUT MANDATORY CREDIT - Only allowed to be published in full format - No cropping! HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES
Beantwortet wurde sie damals wie heute mit dem Verweis auf Angela Merkel. Bei der deutschen Kanzlerin scheint ein derartiger Ausrutscher schlicht undenkbar.

Ihre Geste, die Merkel-Raute, steht für bedachte Zurückhaltung. Einen Stinkefinger hat Merkel wohl nicht im Repertoire.

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Die Vereinten Nationen im Bann der Merkel-Raute?
Wer noch länger in der Geschichte der Entgleisungen in der an Entgleisungen ohnehin recht armen deutschen Innenpolitik sucht, wird auch bei dem während seiner Amtszeit stets als besonders staatstragend geltenden Helmut Kohl fündig. Dieser griff im Mai 1991 zu ungleich härteren Maßnahmen und wurde sogar handgreiflich, nachdem er bei einem Auftritt in Halle mit Eiern beworfen worden war. Zumindest dieser Zwischenfall sollte seinem Ansehen als Staatsmann nicht schaden.

Die SPD-Zentrale hat vorsichtshalber ohnehin bereits reagiert und festgestellt, dass "natürlich auch Sigmar Gabriel die Geste nicht für eine angemessene Form der Alltagskommunikation hält." Die sei aber mit "brüllenden und offenbar gewaltbereiten Neonazis auch nicht möglich" gewesen.

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