Gab es in Deutschland ein „grün gefärbtes“ Abitur?
Wer in Deutschland sein Abitur im Fach Politik-Wirtschaft ablegt, bekommt im Regelfall einen essayistischen Text zu einem politischen Thema vorgelegt. Die Spannweite der Autoren kann da von Cicero über Karl Marx bis zu Jürgen Habermas reichen.
Dass es heuer ausgerechnet ein Artikel von Luisa Neubauer war, vom Boulevard gern als „die deutsche Klima-Greta“ tituliert, sorgt nun für Irritationen. Ihr Text mit dem Titel „Nur weil die Richtigen regieren, wird nicht gleich richtig regiert“, den die 27-jährige Klimaaktivistin vergangenen Sommer im Wochenblatt Zeit veröffentlichte, war Ausgangspunkt der fünfstündigen Abschlussarbeit in Niedersachsen. Darin hatte Neubauer, die auch Mitglied der Grünen ist, die rigorose Abkehr von der „Fossilität“, also der Energiegewinnung durch Öl und Gas, sowie mehr Lautstärke gefordert – auch durch die eigene Partei: „Wir müssen wieder auf die Straße.“
"Das geht gar nicht"
Dass das konservativen Kreisen sauer aufstößt, war durchaus erwartbar. Neubauer, die der schwerreichen Hamburger Industriellenfamilie Reemtsma entstammt, polarisiert in Deutschland nämlich nicht weniger als ihre schwedische Kollegin Greta Thunberg. „Aufsätze von Aktivisten sind kein Abitur-Stoff! Das geht gar nicht“, empörte sich darum etwa CSU-Generalsekretär Martin Huber; er fragte: „Was kommt als Nächstes? Auf der Straße festkleben als Sportunterricht?“
Grüne Ministerin
Im niedersächsischen Kultusministerium sieht man allerdings keinerlei schiefe Optik. Aufgrund der Aktualitätsbezüge können aktuelle Zeitungsartikel durchaus Prüfungsgegenstand in der Abiturprüfung sein, das sei „alles andere als ungewöhnlich“, sagte ein Sprecher gegenüber der deutschen Bildzeitung, die – wie viele andere Boulevardmedien – auch groß über die Causa berichtete.
Für die CDU ist das keine plausible Erklärung. Sie wittert dahinter politische Spielchen: Die niedersächsische Kultusministerin, deren Ressort die Abiturfragen verantwortet hat, ist nämlich – wie Neubauer – eine Grüne. Das habe bei vielen Eltern und auch Lehrern den Verdacht aufkeimen lassen, „dass diejenigen schlechtere Noten bekommen, die sich kritisch oder gar negativ mit dem Neubauer-Text auseinandergesetzt haben“, sagte Christian Fühner, CDU-Bildungspolitik-Sprecher. Seine Partei will dem Sachverhalt darum nun im Landtag nachgehen.
Luisa Neubauer selbst hat sich zur politischen Dimension der Causa übrigens nicht geäußert. Sie freute sich auf Twitter nur über die Textwahl – und drückte den Abiturienten offiziell die Daumen.
Evelyn Peternel
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