Regierungs-Aus in Frankreich: Premier Bayrou verliert Vertrauensfrage

Erstaunlich gelassen nahm François Bayrou die Nachricht seines Scheiterns am Montagabend auf: Seine Miene blieb unverändert. Längst hatte er gewusst, dass die von ihm selbst initiierte Vertrauensfrage in der Nationalversammlung sein Ende als französischer Premierminister besiegeln würde.
Trotzdem versicherte er bei seiner letzten Rede, diesen "Wahrheitstest" gewollt zu haben. "Das größte Risiko bestand darin, es nicht einzugehen, sondern weiterzumachen, ohne dass sich etwas ändert." Seit 51 Jahren habe Frankreich keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorgelegt. Das Überleben des Landes stehe auf dem Spiel, würde nicht endlich gegengesteuert, warnte Bayrou. Ohne einen Minimalkonsens darüber könne er seine Mission nicht fortführen. Doch diesen gab es nicht.
Bayrou: Kein Rückhalt aus den eigenen Reihen
Die gesamte Opposition aus linken und grünen Parteien sowie dem rechtsextremen Rassemblement National (RN) hatten schon zuvor erklärt, dass sie Bayrou nach nur neun Monaten im Amt stürzen werde. Da das Präsidentenlager über keine Mehrheit in der Nationalversammlung verfügt, hätte es die Unterstützung zumindest einer weiteren parlamentarischen Gruppe gebraucht. Doch selbst aus den eigenen Reihen scherten 16 Parlamentarier aus und verweigerten Bayrou ihr Vertrauen.
Vor zwei Wochen hatte dieser sämtliche Beobachter in Paris, seine eigene Regierung, aber auch die Gegner mit der Entscheidung überrumpelt, die Abgeordneten um ihr Vertrauen zu bitten. Er wollte sie zwingen, ihm grundsätzlich Rückendeckung für seinen strikten Sparkurs zu geben: 43,8 Milliarden Euro gelte es einzusparen, um die Schulden in Höhe von 3,4 Billionen Euro zu bekämpfen. Präsident Emmanuel Macron hatte er zuvor eingeweiht. Doch der Hauruck-Versuch, angesichts der angespannten Finanzlage des Landes eine Mehrheit der Parlamentarier hinter sich zu bringen, scheiterte.
Bayrou wollte zwei Feiertage abschaffen: Bevölkerung reagierte empört
Sollte der Vorschlag, zwei der elf gesetzlichen Feiertage zu streichen, als Verhandlungsmasse gelten, so verlor der 74-Jährige damit auch den Kampf um die öffentliche Meinung: Die Bevölkerung reagierte empört, Bayrous Beliebtheitswerte erreichten einen Tiefpunkt von 14 Prozent. Zwar empfing er in den vergangenen Tagen noch die Vertreter mehrerer Fraktionen. Deren Daumen blieben allerdings gesenkt.
Vor allem der rechtsnationale Rassemblement National hofft auf eine Auflösung der Nationalversammlung durch Macron. Fraktionschefin Marine Le Pen würde zwar aufgrund ihrer Verurteilung wegen Korruption und dem Verbot, in den nächsten fünf Jahren bei Wahlen anzutreten, ausscheiden. Doch die Galionsfigur der französischen Rechtsextremen ließ wissen, dass sie bereit sei, für einen Politikwechsel „alle Mandate dieser Welt zu opfern“.
"Es ist an der Zeit, die Linke auszuprobieren"
Der Élysée-Palast teilte hingegen am Abend mit, Macron werde in den nächsten Tagen einen Nachfolger ernennen. Dieser muss dann erneut versuchen, Mehrheiten zu finden oder zumindest eine Duldung durch eine ausreichende Zahl von Abgeordneten zu erreichen. Die Sozialisten zeigten sich offen dafür, wenn sie im Gegenzug einige ihrer Forderungen umsetzen können, etwa die höhere Besteuerung der „Superreichen“.
„Es ist an der Zeit, die Linke auszuprobieren“, sagte Parteichef Olivier Faure. Er spielte damit auf Macrons Verweigerung im vergangenen Jahr an, das Linksbündnis miteinzubeziehen, das bei den Parlamentswahlen insgesamt am meisten Stimmen erzielt hatte. Inzwischen hat es sich allerdings zerstritten. Derweil stiegen zuletzt die Risikoaufschläge für französische Anleihen. Am Mittwoch startet die im Internet lancierte Protestbewegung „Bloquons tout“ („Blockieren wir alles“), die das Land lahmlegen will. Nur gut eine Woche später rufen die Gewerkschaften zu einem Streiktag auf. Der Druck lässt nicht nach.
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