Regierungskrise in Frankreich: Wird das Land jetzt unregierbar?

Premier Bayrou (l.) hat kaum Chancen, die Vertrauensabstimmung zu überstehen. Macron muss einen neuen Premier suchen.
Er werde „kämpfen wie ein Hund“, so drückte es Frankreichs Premierminister François Bayrou vor ein paar Tagen gegenüber dem Magazin L‘Express aus. Unermüdlich gab er Interviews, seit er vor knapp zwei Wochen angekündigt hatte, am 8. September die Vertrauensfrage in der Nationalversammlung zu stellen, um von den Parlamentariern die Rückendeckung für seinen strikten Sparkurs zu bekommen. Er hielt Reden und empfing die Vertreter aller Fraktionen – zumindest jener, die kommen wollten. Die Grünen und die Linkspartei „Das unbeugsame Frankreich“ (LFI) winkten von vorneherein ab. Genutzt haben dürfte Bayrous Aktivismus wenig.
Bayrous dramatische Warnungen, Frankreich stehe angesichts seiner Schulden in Höhe von 3,3 Billionen Euro am Abgrund, erzielten nicht den erhofften Effekt: Der Versuch, aufzurütteln und möglichst viele hinter dem gemeinsamen Sparziel zu vereinen, scheiterte. In Paris herrschen deshalb keine Zweifel darüber, dass ihm am Montag von der vereinten Opposition, nämlich den Parteien des linken und grünen Spektrums sowie dem rechtsextremen Rassemblement National (RN), das Vertrauen entzogen wird.
Schon Barnier stürzte
Das Regierungslager, das aus drei Parteien der Mitte und den konservativen Republikanern besteht, verfügt seit den Wahlen, die Präsident Emmanuel Macron im Sommer 2024 spontan angesetzt hatte, über keine Mehrheit im Parlament mehr. Vor nur neun Monaten war bereits Michel Barnier über ein Misstrauensvotum gestürzt, weil auch er einen Defizitabbau durchsetzen wollte.
Sein Nachfolger Bayrou brachte wenig später zwar einen Nachtragshaushalt durchs Parlament. Doch echte Stabilität zog auch mit ihm nicht ein. Der 74-jährige Chef der liberalen Zentrumspartei MoDem (Mouvement Démocrate) hat einen Großteil seines politischen Lebens damit verbracht, zum Defizitabbau zu mahnen. Mitte Juli warnte er mit dramatischen Worten, Frankreich stehe mit seinen Schulden in Höhe von 3,3 Billionen Euro
Doch seine Vorschläge zur Einsparung von fast 44 Milliarden Euro empörten auch große Teile der Bevölkerung vor allem durch die besonders unbeliebte Idee, zwei der elf gesetzlichen Feiertage zu streichen. Die Gewerkschaften haben Demonstrationen für den 18. September angekündigt. Für Mittwoch ruft eine im Internet entstandene Protestbewegung unter dem Schlagwort „Blockieren wir alles“ („Bloquons tout“) zu einem Generalstreik auf.
Wird Frankreich unregierbar? Zumindest verschärft sich die Lage. Sollte die Regierung erwartungsgemäß stürzen, bleiben dem Präsidenten nur zwei Optionen. Er kann einen neuen Premierminister ernennen – den siebten seit 2017. Oder er löst die Nationalversammlung auf, was zu den dritten Parlamentswahlen seit 2022 führen würde. Sein Lager dürfte dabei noch mehr Sitze verlieren, zulegen würden vor allem die Rechtsextremen.
RN-Fraktionschefin Marine Le Pen könnte zwar aufgrund ihrer Verurteilung wegen Korruption und des Verbots, in den nächsten fünf Jahren an Wahlen teilzunehmen, nicht kandidieren. Doch das gilt nicht mehr als Hindernis, zumal sie juristisch gegen das Urteil vorgehen will und sich durchaus Erfolgschancen ausrechnet. „Unsere Landsleute erwarten einen Politikwechsel und die Rückkehr an die Urnen“, sagte RN-Chef Jordan Bardella, der im Fall eines Sieges Premierminister werden will.
Lecornu ist der Favorit
Aus Macrons Umfeld heißt es, er wolle keine neuen Parlamentswahlen, schließe sie jedoch nicht aus. Sollte er nur den Regierungschef auswechseln, gilt sein Vertrauter und Verteidigungsminister Sébastien Lecornu als Favorit. Doch er kommt wie auch der ehrgeizige Justizminister Gerald Darmanin aus dem Mitte-Rechts-Lager – das keine Mehrheit hat.
Eine Persönlichkeit mit sozialdemokratischem Profil wie Wirtschaftsminister Éric Lombard wiederum müsste nicht nur mit Macron eine gemeinsame Basis finden, sondern auch um die Unterstützung der übrigen Linken sowie der Republikaner ringen.
Diese haben schon ausgeschlossen, gemeinsam mit den Sozialisten regieren zu wollen – umgekehrt ist es nicht anders. Alle Parteien positionieren sich bereits für die Präsidentschaftswahl 2027. Die Chancen, dass sich die Blockadesituation bis dahin auflöst, stehen schlecht.
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