Und noch ein "Fall Aliyev"

Ex-Günstling Nasarbajews, dann sein Gegner und auf der Flucht: Der Oligarch Muchtar Abliasow.
Kasachischer Oligarch soll ausgeliefert werden - Frau spricht von "Todesurteil".

Er war schon Präsident seines Landes, als dieses eine Sowjetrepublik war: Nursultan Nasarbajew, autokratischer Herrscher über das Gas- und Öl-reiche Kasachstan. Wegen seiner Bodenschätze vom Ausland hofiert, wegen Korruptions- und Geldwäsche-Vorwürfen kritisiert, von seinen Gegnern gefürchtet. Denn wer mit Nasarbajew über Kreuz ist, den rettet auch die Flucht nicht – der lange Arm der kasachischen Behörden packt auch nach Jahren noch zu, wenn er kann.

Das hat Nasarbajews Ex-Schwiegersohn Rakhat Aliyev erfahren, der vergangene Woche in einer Wiener Gefängniszelle nach jahrelanger Verfolgung angeblich Selbstmord beging. Und das erfährt Muhtar Abliasow (50), der in Frankreich gestern auf einen Höchstgerichtsentscheid über seine Auslieferung wartete. Der kasachische Oligarch wird von der russischen Justiz wegen Unterschlagungsvorwürfen begehrt. Aber seine Anwälte sind sicher, dass Moskau den Ex-Banker sofort an Kasachstan und damit in die Hände der Nasarbajew-Justiz ausliefern würde.

Der Fall hat verblüffende Parallelen zum Fall Aliyev. Dieser fällt bei seinem Schwiegervater nach Putschgerüchten im Jahr 2002 in Ungnade und wird als Botschafter nach Wien geschickt. Abliasow, ebenfalls Ex-Schützling Nasarbajews und Energieminister, wird 2002 inhaftiert, nachdem er die Führung einer Oppositionspartei übernommen hat, kann sich aber nach einem Deal mit der Justiz (nie wieder Politik) nach Moskau absetzen.

Nächste Parallele: 2005 kehrt Aliyev nach Kasachstan zurück und wird Vize-Außenminister, ehe er 2007 neuerlich nach Österreich versetzt wird. Und plötzlich laufen Ermittlungen gegen ihn wegen Mordes an zwei Bankern seiner Nur-Bank. 2005 kehrt auch Abliasow nach Kasachstan zurück, wird Leiter der BTA-Bank und eines sagenhaften Geschäftsimperiums. Vier Jahre später flieht er nach London, als Betrugsermittlungen gegen ihn aufgenommen werden – ihm wird vorgeworfen, Milliarden veruntreut zu haben.

Aliyev wird in Abwesenheit zu zwei Mal 20 Jahren Haft verurteilt. Gegen Abliasow bringt seine Bank unzählige Zivilprozesse in London ein. Er flüchtet aus Großbritannien, kurz bevor er wegen Missachtung des Gerichts verurteilt werden soll.

Frau, Tochter aus Rom verschleppt

Von Österreich begehrt Kasachstan bekanntlich die Auslieferung Aliyevs, der 2014 in U-Haft kommt, weil auch hier wegen Mordverdachts ermittelt wird. Auf der Suche nach Abliasow werden kasachische Detektive unterdessen in Südfrankreich fündig – der Ex-Banker wandert 2013 in Auslieferungshaft.

Im selben Jahr bekommen auch seine Frau Alma Schalabjewa und seine sechsjährige Tochter Alua den langen kasachischen Arm zu spüren: Sie werden von der italienischen Geheimpolizei in einer Villa in Rom unter dem Vorwand falscher Pässe geschnappt und in einen (in Wien angemieteten) Privatjet gesteckt, der sie nach Kasachstan bringt. Die "Verschleppung" gerät zur Staatsaffäre für die italienische Regierung. Nach einem halben Jahr dürfen die Frau und das Mädchen wieder nach Italien zurück, wo sie eine fünfjährige Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Überflüssig zu erwähnen, dass auch mehrere Entführungsversuche gegen Aliyev-Vertraute in Wien dokumentiert sind.

"Seine Auslieferung anzuordnen, bedeutet, ihn zum Tode zu verurteilen", sagte Alma Schalabjewa im Jänner 2014, als ein Gericht in Aix-en-Provence die Auslieferung an Russland beschloss. Moskau hatte sie ebenso wie die Ukraine und Kasachstan beantragt, in Russland wird Abliasow die Unterschlagung von fünf Milliarden Dollar vorgeworfen.

Ob er ein großer Dissident oder ein großer Gauner ist, ist offen. Dass Nasarbajew eine Rechnung mit ihm offen hat, scheint fix.

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