Nach Neuwahl-Ausruf in Frankreich: Ein Rechtsblock gegen Macron?

Nach Neuwahl-Ausruf in Frankreich: Ein Rechtsblock gegen Macron?
Nach dem Zusammenschluss von Sozialisten, radikalen Linken, Grünen und Kommunisten zu einem linken Bündnis will der Chef der Republikaner mit dem rechtsextremen EU-Wahlsieger RN zusammengehen.

Die französischen Republikaner stehen vor der Implosion. Ausgelöst hat die Krise Parteichef Éric Ciotti am Dienstag mit seiner Ankündigung, bei den Parlamentswahlen am 30. Juni und 7. Juli ein Bündnis mit dem rechtsextremen Rassemblement National einzugehen. „Wir brauchen einen rechten Block, einen nationalen Block“, so Ciotti, der den rechten Flügel seiner Partei vertritt. 

Mit den Führungsfiguren des RN, Fraktionschefin Marine Le Pen und Parteichef Jordan Bardella, habe er sich schon abgestimmt. Demnach soll der RN in Wahlkreisen, wo republikanische Abgeordnete erneut antreten, keine Kandidaten aufstellen. Die Vereinbarung könnte eine gegenseitige sein. Während Le Pen sogleich die „mutige Entscheidung“ rühmte, reagierten Schwergewichte der Republikaner entsetzt auf den Tabubruch, gemeinsame Sache mit den Rechtsextremen machen zu wollen.

"Wir schmeißen ihn raus"

Erste Senatoren kündigten ihren Austritt an, Fraktionschef Olivier Marleix wie auch Senatspräsident Gérard Larcher forderten Ciotti zum Rücktritt auf. Dieser lehnte ab. „Wir schmeißen ihn raus“, sagte die Nummer zwei der Partei, Florence Mosalini-Portelli. Folgen könnte eine Spaltung der einstigen stolzen Regierungspartei, eine Neuordnung der politischen Landschaft Frankreichs. 

Tatsächlich hat Präsident Emmanuel Macron mit seiner Ankündigung, die Nationalversammlung aufzulösen und kurzfristig neue Parlamentswahlen auszurufen, Chaos ausgelöst. Er reagierte damit auf das Spitzenergebnis des RN von 31,4 Prozent gegenüber nur 14,6 Prozent für sein Lager bei der EU-Wahl. Derzeit befinden sich alle Parteien in intensiven Verhandlungen mit möglichen Bündnispartnern. 

Linken-Bündnis

Bereits am Montag kündigten Sozialisten, radikale Linke, Grüne und Kommunisten ein gemeinsames neues Wahlbündnis an. Damit kamen sie einem entsprechenden Aufruf von 350 Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur, Forschung und Wirtschaft nach, den erstarkenden Rechten etwas entgegenzusetzen. Doch auch diese arbeiten an einer Allianz.

Am Montag trafen sich Bardella und Le Pen mit Le Pens Nichte Marion Maréchal, die bei der EU-Wahl für die konkurrierende rechtsextreme Partei „Reconquête!“ 5,5 Prozent erzielt hatte. Vor einigen Jahren hatte die 34-Jährige, die für eine harte identitäre Linie und ein streng konservatives Gesellschaftsbild steht, den RN aufgrund inhaltlicher und persönlicher Differenzen mit ihrer Tante verlassen. Davon will die Enkelin von Parteigründer Jean-Marie Le Pen nun nichts mehr wissen: Sie kämpfe für eine „Union der Rechten“, die auch Republikaner mit einschließe. 

Rechte Regierung unter einem Präsidenten Macron?

Gemeint waren jene Abgeordneten, die Ciotti folgen. Sollten der RN und seine Verbündeten bei den Parlamentswahlen eine Mehrheit erreichen, könnten dessen Mitglieder Teil einer neuen Regierung unter Macron werden. Bei einer sogenannten Kohabitation, wie es sie in den vergangenen 40 Jahren dreimal gab, gehören der Präsident und der Premierminister verschiedenen Parteien an.

Regierungschef würde in dem Fall der 28 Jahre alte Bardella. Steckt hinter diesen Entwicklungen das Kalkül Macrons, ein mit dem harten Alltagsgeschäft konfrontierter Premierminister Bardella könne sich selbst „entzaubern“? Aufgrund der hohen Staatsverschuldung ist ein konsequenter - gezwungenermaßen unbeliebter - Sparkurs notwendig. 

Riskante Rechnung 

Auf die Frage, ob er die jüngste umstrittene Rentenreform zurücknehmen würde, antwortete Bardella ausweichend: „Das werden wir sehen.“ Einmal an der Macht, so könnte Macrons Hoffnung sein, werde sich der RN „lächerlich machen und die Erfahrung würde hier enden, weil die Franzosen feststellen, dass die Rechten unfähig sind zu regieren“, sagt der Kommunikationsexperte Philippe Moreau Chevrolet. Riskant sei diese Rechnung trotzdem. Eine ursprünglich für Dienstag geplante Pressekonferenz des Präsidenten wurde auf den heutigen Mittwoch verschoben. Auch an der Staatsspitze herrscht Nervosität.

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