Das Leid der AfD ist Merkels Freud’
Auf Augenhöhe mit Marine Le Pen und HC Strache – so sah sich die AfD gern. Bis vor Kurzem stimmte das auch; 16 Prozent erreichten die Rechtspopulisten noch im Herbst 2016. Dass ihre Werte seither dramatisch einbrachen, gar der Einzug in den Bundestag in Gefahr ist, macht alle nervös: Seit Monaten wird nur mehr um Führungspositionen gestritten – zuletzt hat Parteichefin Frauke Petry sich selbst aus dem Rennen um die Spitzenkandidatur genommen. Sie will der "Alternative für Deutschland" so beim Bundesparteitag ab morgen in Köln einen Mitte-Kurs aufzwingen. Wohin steuert die Partei?
Wieso ist die Partei ins Rutschen geraten?
Der vordringlichste Grund ist die Affäre um Björn Höcke: Weil das Enfant terrible der Partei ein höchst seltsames Geschichtsverständnis an den Tag gelegt hatte, fürchtete Petry um Mitte-Wähler; sie erzwang gegen den Willen vieler AfDler ein Ausschlussverfahren. Seither wird öffentlich gestritten, die Umfragewerte sinken. Eine wichtigere Rolle spielen fehlende Themen: Die Flüchtlingskrise ist medial nicht mehr greifbar, der AfD fehlt es an Reibung mit den anderen Parteien.
Worum geht es im Richtungskampf wirklich?
Um Macht. Frauke Petry hat lange akzeptiert, dass Höcke Wähler von ganz rechts ins Boot holt – ihre Ideologie ist zudem inhaltlich nicht weit von Höckes entfernt. "Rassisten gegen Rassisten" kommentierte die Frankfurter Rundschau den Kampf – Petry vertritt auch völkische, nationalkonservative Ansichten, nur ist ihr klar, dass Höckes offen rassistisches Gehabe Wähler abschreckt.
Was passiert am Parteitag am Wochenende?
Von Konsens bis Spaltung ist alles möglich: Der recht große Block um Höcke könnte die Macht an sich reißen und Petry als Parteichefin absetzen; dann würde Köln zum Knittelfeld der AfD werden. Denkbar ist auch, dass Petrys Kalkül aufgeht und die Partei ihren Antrag auf einen regierungsfähigen Mitte-Kurs annimmt – eine Abspaltung des extrem rechten Flügels wäre so denkbar.
Wer wird statt Petry Spitzenkandidat?
Auch das ist offen. Höcke-Freund Alexander Gauland, der als Petry-Gegenkandidat gehandelt wurde, hält sich zurück; ebenso wie Alice Weidel. Die lesbische Ökonomin gilt als Petry-nah, wäre aber für viele die ideale Kandidatin. Denkbar scheint auch ein größeres Team – das wäre aber eine Bürde: Der Führungsstreit würde verlängert, und der AfD fehlt ein zentrales Gesicht.
Wer profitiert von dem öffentlichen Gezerre?
Die Grundregel der AfD, Hauptsache man ist in den Medien, egal womit, gilt nicht mehr. Im Gegenteil: In allen Umfragen zieht die CDU nach vorn – und das, obwohl Angela Merkel als Einzige noch keinen Wahlkampf macht. Die Kanzlerin hält sich mit Angriffen zurück, und das scheint in der lauten Ära von Brexit und Trump anzukommen – selbst bei AfD-Wählern.
Kann auch Martin Schulz der AfD Wähler abziehen?
Das hat er schon, allerdings nur in begrenztem Ausmaß – sein Umfrageerfolg speiste sich aus dem Absinken der AfD ebenso wie aus der Schwäche der Grünen. Derzeit scheinen viele Unentschlossene sich wieder der CDU zuzuwenden – Schulz’ Stern ist im Sinken, er setzt auf einen Anti-AfD-Kurs: Am Sonntag tritt er bei einer Protestveranstaltung gegen den Parteitag auf – ungewöhnlich für einen Spitzenpolitiker.
Ist das der Anfang vom Ende der AfD?
Schwer zu sagen – die Möglichkeit besteht. Klar ist jedenfalls, dass die Ablehnung der Partei gegenüber so groß ist wie noch nie: In Köln werden 50.000 Demonstranten gegen die AfD erwartet, die Polizei rechnet mit Ausschreitungen.
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