FPÖ: Die Vergangenheit lässt sie nicht los
Knapp 700 Seiten eines Berichts zu lesen, der sich mit der Vergangenheit des Dritten Lagers und den „dunklen Flecken“ in der FPÖ beschäftigt, so viel Zeit hat zu Weihnachten kaum jemand. Darum in aller Kürze: Nach der Präsentation des Berichts der noch unter Heinz-Christian Straches Parteiobmannschaft einberufenen Historikerkommission liegen unbequeme Wahrheiten auf dem Tisch. Es geht um spätere Parteimitglieder, die an der brutalen Ermordung von Juden beteiligt waren, es geht um „Einzelfälle“, um Wiederbetätigung und um Kunstraub.
Doch das alles ist mit einem beständigen „Aber“ versehen.
Von Peter zu Haider
Etwa wenn es um Friedrich Peter geht. Er war während des Krieges SS-Obersturmführer und später FPÖ-Parteiobmann. Zunächst werden im Historikerbericht Verbrechen geschildert, die seine Einsatztruppe während des Krieges an Kindern begangen hatte. Darauf folgt der Satz: „Eine direkte Teilnahme konnte Peter aber niemals nachgewiesen werden“. An anderer Stelle wird betont, Peter habe sich später wegen des „anfänglichen vergangenheitspolitischen Kurs“ Jörg Haiders von der Partei abgewandt.
Apropos Haider: Dieser führte die Partei laut Bericht zwar zurück zur „deutsch- (später eher austro-)nationalen Programmatik“, aber auch „in lichte Höhen“ und in die Koalition mit der ÖVP. Was das im Bericht enthaltene Bekenntnis zur „deutschen Kulturgemeinschaft angeht“, ergänzt der Koordinator der Kommission, Andreas Mölzer, bei der Präsentation, es gebe eben eine gemeinsame Kulturgeschichte. Deutsches Kulturbewusstsein und Österreich-Patriotismus seien kein Widerspruch.
Der eigentliche Anlass für den Bericht – die Liederbuchaffäre rund um die Burschenschaft Germania – findet ebenso Eingang in das Nachschlagewerk. „Es handelt sich bei den Verbindungen um Vereine, nicht um Vorfeldorganisationen“ heißt es. Was auch bedeutet, dass ein Einblick in ihre Archive nichtmöglich sei. Man habe es auch gar nicht versucht, sagte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, da man die Verbindungen nicht bevormunden wollte. Sie müssten selbst entscheiden, wie sie ihre Vergangenheit aufarbeiten. Letzteres erscheint paradox, da Mölzer betont, die Partei habe den Bericht selbst verfasst und diese Aufgabe nicht an die Universität ausgelagert, da sie Zugang zu den Archiven habe.
Noch mehr „Abers“ als bei ihrer Vergangenheit sieht die FPÖ rund um die jüngsten neonazistischen „Einzelfälle“, betreibt hier aber auch wirkliche Selbstkritik: „Die Schwelle, der Partei beizutreten, war nicht immer hoch genug“, sagt Hafenecker. Das soll sich ändern, damit „Leute, die leicht erkennbar dem Narrensaum anhängen, nicht den Weg in die Partei finden“. Umgekehrt habe es ja bereits zahlreiche Parteiausschlüsse gegeben.
Kaum Einordnung
Vergebens wartet man bei der Lektüre auf eine Einordnung des Berichteten durch die Partei-Spitze. Auch im Nachwort widmet sich Mölzer weniger inhaltlichen Erkenntnissen denn dem politischen Gegenwind. Einzig über den VdU, die Vorgängerpartei der FPÖ, schreibt er, „dass sie keinesfalls eine NS-Nachfolgepartei ist, sondern dass sie vielmehr geläuterte ehemalige Nationalsozialisten (...) zurückführte in das demokratische Gefüge der Republik.“
Abschließend schreibt er: „Es sind ja Höhen und Tiefen als solche zu akzeptieren.“
Dass Mölzer im Nachwort auf die politischen Gegner Bezug nimmt, überrascht nicht. Bereits im August hatte eine Kurzfassung des Berichts für heftige Kritik gesorgt. So hatte etwa Oliver Rathkolb, Leiter des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien, den Bericht als unwissenschaftlich und lückenhaft bezeichnet. Zur Vollversion wollte Rathkolb nach der Präsentation nichts sagen, kündigte aber an, er werde sich nach gewissenhafter Lektüre zu Wort melden.
Viele Kritiker sehen den Termin der Veröffentlichung einen Tag vor Weihnachten als Versuch der FPÖ, sich der medialen Aufmerksamkeit zu entziehen. „Stimmt nicht“, sagen die Blauen. Eigentlich habe man den Bericht in Form einer Diskussion mit Vertretern der „Gegenöffentlichkeit“ präsentieren wollen, doch diese hätten abgesagt. Der Termin sei daraufhin gewählt worden, weil FPÖ-Chef Norbert Hofer (er war bei der Präsentation nicht anwesend) nicht mehr die Schuld für eine Verzögerung der Veröffentlichung auf sich nehmen wollte.
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