US-Raketen gegen Russland: Russland warnt vor Weltkrieg

US-Raketen gegen Russland: Russland warnt vor Weltkrieg
US-Präsident Biden hat der Ukraine den Einsatz von US-Waffen gegen Ziele im russischen Staatsgebiet erlaubt. Europa sollte es den Amerikanern gleichtun, fordert Josep Borrell. Russland warnt vor Weltkrieg.

Wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit hat US-Präsident Joe Biden dem Drängen aus Kiew nachgegeben: Die USA haben der ukrainischen Armee nun den Einsatz von Waffen mit größerer Reichweite erlaubt, um Ziele jenseits der Grenze im russischen Hinterland angreifen zu können. 

Dies markiert einen Strategiewechsel, der offenbar in Zusammenhang mit dem Einsatz tausender nordkoreanischer Soldaten in der russischen Grenzregion Kursk steht.

Nach Informationen der New York Times (NYT) erlaubte Biden erstmals den Einsatz von Raketen des Typs ATACMS (Army Tactical Missile System) mit dem Ziel, die ukrainischen Kräfte in Kursk zu unterstützen. 

Diese Raketen haben eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern und wurden konzipiert, um feindliche Truppen und Gerät weit hinter der Front bekämpfen zu können.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij fordert von den westlichen Verbündeten seit Monaten die Erlaubnis für den Einsatz dieser Waffen, damit etwa Nachschubbasen der russischen Armee oder auch Startplätze für Kampfflugzeuge bombardiert werden können. 

Die westlichen Verbündeten wiesen dies bisher stets zurück, da befürchtet wurde, dies werde zu einer weiteren Eskalation führen und Russland seinerseits zu noch heftigeren Gegenschlägen verleiten.

Militärexperte Reisner: Führt nicht "zwangsweise zu einer Eskalation"

Bidens Entscheidung führe nach Ansicht des Militärexperten Markus Reisner nicht "zwangsweise zu einer Eskalation". Die Folgen dieses "Paradigmenwechsels" auf den Kriegsverlauf oder eine etwaige Verhandlungsposition der Ukraine hängen von der Reichweite und den Fähigkeiten der eingesetzten Waffensysteme ab, sagt der Bundesheer-Oberst.

Berichte aus den USA deuten laut Reisner darauf hin, dass das US-System ATACMS in der Kurzstreckenversion mit einer Reichweite von 165 km eingesetzt werden solle. Ein Einsatz im Raum Kursk - unter anderem gegen Truppenkonzentrationen russischer und nordkoreanischer Soldaten in dem russischen Gebiet - würde bedeuten, dass die USA versuchen, der Ukraine zu ermöglichen, die besetzten russischen Gebiete so lange wie möglich zu halten. "Dies würde eine etwaige Verhandlungsposition der Ukraine verbessern und nicht zwangsweise zu einer - bis jetzt von den USA immer vermiedenen - Eskalation führen."

Wie entscheiden Frankreich und England?

Reisner betont: "Im Moment deutet noch nichts darauf hin, dass die Erlaubnis des Einsatzes der ATACMS-Langstreckenversion mit einer Reichweite von bis zu 300 km erteilt wurde. Erst mit dieser Fähigkeit wäre es möglich, russische Munitionsdepots und Flugplätze umfassend anzugreifen und massiven Druck auf die russische Seite auszuüben." 

Offen sei zudem auch, ob Großbritannien und Frankreich gleichziehen und den Einsatz von STORM SHADOW und SCALP mit einer Reichweite von 560 km ebenfalls und mit Zustimmung der USA erlauben. "Dies würde den Druck auf Russland signifikanter erhöhen."

Russland warnt vor Weltkrieg

Der russische Machthaber Wladimir Putin hat Mitte September erst gewarnt, dass eine Zustimmung des Westens zu einem solchen Schritt "die direkte Beteiligung der NATO-Staaten, der USA und europäischer Länder am Krieg in der Ukraine" bedeuten würde, da die militärische Infrastruktur und das Personal der NATO in die Zielsetzung und das Abfeuern der Raketen involviert sein müssten. 

Ende Oktober sagte Putin, dass sich das russische Verteidigungsministerium auf mehrere Reaktionsmöglichkeiten vorbereite.

Die russische Parlamentsabgeordnete Maria Butina beschuldigte am Montag die Biden-Administration, sie versuche die Lage zu eskalieren, solange sie noch an der Macht sei. Sollten die USA der Ukraine den Einsatz der Raketen erlauben, riskiere das Land einen Dritten Weltkrieg. Butina betonte, sie habe die große Hoffnung, dass der designierte neue US-Präsident Donald Trump diese Entscheidung, sollte sie getroffen worden sein, rückgängig machen werde. 

Denn sie riskiere "ernsthaft den Beginn eines Dritten Weltkriegs, der in niemandes Interesse ist", sagte Butina, die 15 Monate wegen Agententätigkeit in den USA im Gefängnis verbrachte und nun für die Regierungspartei Einiges Russland Duma-Abgeordnete ist, zu Reuters.

Borrell für Waffeneinsatz innerhalb Russlands

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell fordert die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, der Ukraine den Einsatz von Waffen für Angriffe innerhalb Russlands zu gestatten. "Immer wieder habe ich gesagt, dass die Ukraine in der Lage sein sollte, die von uns gelieferten Waffen zu nutzen, nicht nur um die Pfeile zu stoppen, sondern auch um die Bogenschützen zu treffen", sagt Borrell vor einem Treffen der EU-Außenministerinnen und Außenminister in Brüssel. "Ich glaube weiterhin, dass dies getan werden muss. Ich bin sicher, wir werden erneut darüber diskutieren. Ich hoffe, die Mitgliedstaaten werden dem zustimmen."

Neben Borrell haben befürworten zahlreiche Teilnehmer des Treffens die von Biden gegebene Erlaubnis. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock reagierte mit Zustimmung. Es gehe jetzt darum, "dass die Ukrainer nicht warten müssen, dass die Rakete über die Grenze fliegt, sondern dass man die militärischen Abschussbasen, dass man von dort, wo die Rakete geflogen wird, dass man das zerstören kann", sagte Baerbock am Montag im rbb Inforadio. Dies sei im Rahmen des Selbstverteidigungsrechts jedes Landes.

Ihr französischer Amtskollege Jean-Noël Barrot sagte, dass Präsident Emmanuel Macron bereits erklärt habe, diese Option in Betracht zu ziehen, um "Ziele anzugreifen, von denen aus Russland ukrainisches Gebiet angreift". 

Der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp sieht in der Freigabe der Waffen die richtige Antwort auf den Einsatz nordkoreanischer Soldaten auf der Seite Russlands. Litauens Chefdiplomat Gabrielius Landsbergis forderte eine "neue Strategie für die Ukraine".

China: Abkühlung der Lage

China drängte unterdessen erneut auf ein Ende des Krieges. "Eine frühe Waffenruhe und eine politische Lösung dienen den Interessen aller Beteiligten", sagte Außenamtssprecher Lin Jian am Montag in Peking. "Das Dringlichste ist, so schnell wie möglich eine Abkühlung der Lage herbeizuführen", fügte er hinzu.

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