Zweifel an Merkel wachsen: Schafft sie das?
Es ist kein leichter Weg, den Angela Merkel am Donnerstag antritt. Die deutsche Kanzlerin stellt sich beim CDU-Zukunftskongress in Wuppertal ihrer eigenen Partei – dort, wo normalerweise Applaus auf sie wartet, wird diesmal viel Murren zu hören sein: Die CDU ist derzeit so verstimmt über ihre Kanzlerin wie schon lange nicht mehr. 34 CDU-Funktionäre ließen der Parteichefin im Vorfeld sogar einen Brief zukommen, der von ihr ein Ende der Politik der offenen Grenzen fordert – die unmissverständliche Botschaft: Das uneingeschränkte Willkommen an die Flüchtlinge wird von der Basis nicht mitgetragen.
"Merkel-Dämmerung"
Es scheint, als stünde Angela Merkel mit ihrem "Wir schaffen das" gerade ziemlich allein da – und auch in den Medien wird bereits gemutmaßt, die "Kanzlerinnen-Dämmerung" habe begonnen. Allein, ganz so weit ist es noch nicht: Unterschrieben haben den Wunsch nach einem "Signal der Abwehr" nämlich vornehmlich Landes- und Kommunalpolitiker, einflussreiche CDUler oder Bundespolitiker finden sich keine darunter. Auf höchster Ebene revoltiert bisher nur einer – und das auch aus politischem Kalkül: CSU-Chef Horst Seehofer. Er drohte am Mittwoch gar mit "wirksamer Notwehr", sollte Berlin für keine Begrenzung der Flüchtlingszahlen sorgen.
Auch Umfragen legen nicht nahe, dass die Kanzlerin ernsthaft gefährdet wäre. Kratzer am Image gibt es, aber von ernsthaften Einbußen ist Angela Merkel derzeit weit entfernt – noch immer würden 47 Prozent sie direkt wählen. Vielmehr machen die jüngsten Ergebnisse deutlich, dass der offen ausgetragene Streit der Schwestern beiden Parteien nicht guttut: Die CSU verliert nämlich noch deutlich mehr an Zustimmung als die Kanzlerinnenpartei (siehe unten).
Deutliches Signal
Dass sowohl parteiintern als auch als Signal nach außen etwas passieren muss, scheint aber auch Merkel klar. Ihre jüngste Antwort auf die immer lauter werdende Kritik ist deshalb eine symbolträchtige: Die Flüchtlingsfrage ist zur Chefsache erhoben worden – ein höheres Maß an Wichtigkeit kann sie ihr nicht zugestehen. Dass Innenminister Thomas de Maizière, der bisher für all die Asylagenden zuständig war, damit auch offen entmachtet wird, kann von Kritikern auch als Wink mit dem Zaunpfahl gedeutet werden: De Maizière galt stets als einer der loyalsten Weggefährten Merkels, nur in jüngerer Vergangenheit widersprach er ihrem Kurs in der Flüchtlingsfrage offen. Zuletzt sprach er auch davon, dass sich Flüchtlinge "undankbar" zeigten, was ihm zusätzlich Kritik eintrug – dies und seine teils offen zur Schau getragene Überforderung in der Causa haben ihm nun diese Ohrfeige eingebracht. Ihm bleiben nun nur mehr die operativen Belange der Flüchtlingskrise, Strategie und Planung übernimmt Kanzleramtschef Peter Altmaier .
Troubleshooter
Die Hoffnung ruht nun auf ihm – Altmaier gilt als bewährter Troubleshooter der Kanzlerin. Der Saarländer hat für sie schon bei der umstrittenen Energiewende dafür gesorgt, dass die Umfragezahlen sich wieder erholten; auch den NSA-Skandal hat er recht erfolgreich aus den Schlagzeilen bekommen. Nun soll er sich in der Flüchtlingsfrage versuchen – und vor allem Merkel aus der Schusslinie bringen: Bis November stehen ihr nämlich insgesamt vier CDU-Zukunftskonferenzen bevor. Und dabei kann sie Rückendeckung deutlich besser brauchen als Gegenwind.
Horst Seehofers Taktik, sich mit seiner Polterei bundesweit Gehör zu verschaffen, geht nicht auf – sie schwächt eher das Wählervertrauen in die Unionsparteien: Im Forsa-Wahltrend von Stern und RTL verliert die CDU einen Prozentpunkt, sie liegt nun bei 39 Prozent Zustimmung; die CSU dagegen büßt sogar 5,3 Prozent ein. Profitieren kann davon die rechtspopulistische AfD – bundesweit kommt sie auf sieben Prozent, im CSU-regierten Bayern gar auf neun.
Ableiten lässt sich daraus zum einen der Wunsch nach einem strikteren Vorgehen, zum anderen aber auch eine Unzufriedenheit mit dem strittigen Umgang in der Krise: "Die Attacken des Ministerpräsidenten Horst Seehofer gegen die Kanzlerin treiben Wähler am rechten Rand der CSU in hohem Maße der AfD zu", so Forsa-Chef Manfred Güllner im Stern.
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