"Ich bin nicht die erste Kanzlerin, die kämpft"
Auch den "Wir schaffen das"-Satz hat sie untergebracht. Er wirkt ein wenig wie eine trotzige Ansage: Denn die einst so positiv besetze Aussage steht nicht mehr für deutsche Willkommenskultur, sondern hat sich zum hämischen Stehsatz der Zweifler gewandelt. Angela Merkel hat sich am Freitagabend im ZDF dieser Kritik gestellt – sie hat pariert, gekontert und alles auf eine Karte gesetzt.
"Haben Sie die Lage noch im Griff?", fragen die Moderatoren Peter Frey und Bettina Schausten zum Auftakt – ein Hinweis darauf, wie sehr sich die Stimmung verschlechtert hat. Laut jüngstem Politbarometer lehnen 52 Prozent der Deutschen Merkels Kurs in der Flüchtlingsfrage ab; um knapp zehn Prozent mehr als noch im September.
"Die Kanzlerin hat die Lage im Griff"
Doch Umfragen, so scheint es, sind für die deutsche Kanzlerin derzeit keine Kategorie – zumindest nach außen. "Die Bundeskanzlerin hat die Lage im Griff", sagt sie trocken über sich selbst, nicht ohne zu erwähnen, dass es eines langen Atems für solche Herausforderungen bedürfe. "Daran arbeite ich", sagt sie, "das können Sie mir glauben."
Ähnlich unemotional ist ihre Antwort an jene in ihrer Partei, die sie zuletzt offen infrage stellten. Wolfgang Schäuble etwa, der die Flüchtlingskrise mit einer von ihr ausgelösten Lawine verglich – ihn nennt sie ungerührt "eine Klasse für sich". Ja, manche Dinge sehe sie anders als er. Und die Lawine? "Ich denke nicht in solchen Bildern, sondern an den einzelnen Menschen", sagt Merkel.
Die Worte Mensch und Menschenwürde fallen ohnehin oft. Merkel argumentiert viel mit Fakten, verweist auf das, was schon erreicht wurde – sei es die verschärfte Asylgesetzgebung oder die laufenden Gespräche mit der Türkei. Fragen, die ihre Autorität infrage stellen, prallen ab. Sie halte "absolut" an ihrem Kurs fest, stehe stets hinter dem, was sie gesagt habe. Ihre Entscheidung, die Grenzen zu öffnen, halte sie nach wie vor für richtig.
Eine Abkehr von der Willkommenspolitik – das kommt für sie nicht infrage, so sehr ihre Partei sie auch drängen mag. Nein, sie wolle weiterhin, dass Deutschland sein freundliches Gesicht zeige. "Das ist meine Art von Willkommenskultur." Dass sie dafür weiterhin kämpfen muss, scheint sie wenig zu stören. "Ich kämpfe in der Tat für den Weg, den ich mir vorstelle", sagt sie. "Ich bin nicht die erste Bundeskanzlerin, die kämpfen muss", sagt sie mit fester Stimme, fast ein wenig emotional.
Gefühlsbetont reagiert sie auch bei der Frage nach 2017, nach einer möglichen Wiederwahl. Sie antwortet ohne klare Worte, dafür mit breitem Grinsen: Dass sie das schaffen kann, daran will sie keinen Zweifel lassen.
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