Die Willkommenskultur ist längst passé
Winkende Bürger, freundliche Gesten, eine Kanzlerin, die mit Flüchtlingen posiert: Das Gesicht, das Deutschland noch im Sommer gezeigt hat, ist mittlerweile um einiges unfreundlicher geworden – spätestens seit den Übergriffen von Köln ist die positive Stimmung immer größer werdendem Unbehagen gewichen.
Das spiegelt sich auch in der Gesetzgebung wider. Bereits seit Herbst verschärft die Regierung das Asylrecht sukzessive, die jüngsten beiden Stoppschilder für Flüchtlinge stellt Berlin diese Woche auf. So wurde am Mittwoch beschlossen, straffällig gewordene Ausländer künftig auszuweisen, sobald sie verurteilt werden – und zwar unabhängig davon, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Künftig reicht auch schon Widerstand gegen Polizeibeamte aus, um jemanden abzuschieben. Am Donnerstag berät man dann darüber, ob Abschiebungen auch bei kranken Personen durchgeführt werden können und in welcher Höhe sich Flüchtlinge finanziell an Deutschkursen beteiligen müssen.
Gestörte Gesprächskultur
Daneben steht noch eine weitere Einschränkung auf der Agenda – der beschränkte Familiennachzug für Syrer, auf den die CSU drängt. Um seinem Ansinnen Nachdruck zu verleihen, hat Parteichef Seehofer vor dem Treffen noch einen Brief an Kanzlerin Merkel verschick, versehen mit einer altbekannten Drohung: Sollte Merkel ihm nicht in diesem Punkt, bei Asyl-Obergrenzen und der ausgeweiteten Grenzsicherung entgegenkommen, will er sich wehren – und Klage einlegen.
Die Reaktionen darauf waren höchst emotional. Ein Hinweis darauf, wie angeknackst die Gesprächskultur in der Koalition derzeit ist: In der SPD, die sich gegen den CSU-Vorstoß sperrt, hat man den Brief gleich mal als Ankündigung zum Koalitionsbruch gedeutet; die junge SPD schrieb daraufhin selbst einen Brief, in dem sie sich hinter Merkel stellte. Und in Bayern ruderte man dezent zurück – und verwies ganz höflich auf das Treffen am Donnerstag.
Milliardenschaden
Dass die Kanzlerin Seehofer dann tatsächlich klein beigibt, ist jedoch nicht zu erwarten. Zumal sie auch Rückendeckung von anderer Seite bekommt. Einige Wirtschaftsverbände äußerten Sorge wegen der von der CSU propagierten Grenzsperren – Staus, verspätete Lieferungen und Lagerkosten würden einen Schaden von zumindest zehn Milliarden Euro pro Jahr verursachen, warnt etwa der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Und selbst aus Bayern kommen kritische Stimmen. Die jetzigen Grenzkontrollen müssten die Ausnahme bleiben, heißt es von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft – einen Teil der Mehrkosten dafür müssten sonst schlussendlich die Konsumenten tragen.
Kommentare