Der Plan: Hotspots an den EU-Außengrenzen

Treffen einander am Dienstag in Berlin: Faymann und Merkel.
Deutschland kontrolliert zwar an der Grenze, dichtgemacht hat man aber nicht: Wer einen Asylantrag stellt, wird aufgenommen. Heute wollen Merkel und Faymann ihr Vorgehen auf europäischer Ebene abstimmen.

Wie umgehen mit dem großen Flüchtlingsstrom, der in den vergangenen acht Tagen Deutschland in Atem gehalten und – und jetzt Österreich an den Rand der Möglichkeiten bringt? Es braucht eine Lösung auf EU-Ebene, sagt man beinahe gebetsmühlenartig im deutschen Kanzleramt – lange Zeit hat Angela Merkel versucht, ihre Form der Willkommenspolitik auch den anderen EU-Staatschefs schmackhaft zu machen; seit Sonntag kann dies nun als gescheitert gelten.

Genau darum werden sich die Gespräche am Dienstag mit Kanzler Werner Faymann drehen: Nach den recht kurzfristig anberaumten Krisengesprächen am Wochenende treffen sich die beiden, um ihr Vorgehen auf EU-Ebene zu akkordieren; mit am Tisch sitzen auch die Vizekanzler Gabriel und Mitterlehner sowie Innenminister De Maizière und seine Amtskollegin Johanna Mikl-Leitner.

Einigkeit

Ein Punkt ist Faymann und Merkel ein großes Anliegen: Die EU-Grenzsicherung mittels Hotspots – vor allem in Griechenland sollen diese Registrierungszentren dafür sorgen, dass der massive Zustrom an Flüchtlingen auf Dauer eingedämmt werden kann. In diesen Brennpunkt-Zentren sollen Flüchtlinge durch EU-Beamte identifiziert werden, sie sollen bereits dort Asylanträge stellen können – so kann eine illegale Weiterreise verhindert werden und Wirtschaftsflüchtlinge können durch die EU-Grenzbehörde Frontex abgeschoben werden können.

Diese "Hotspots" samt einer von der EU organisierten Grenzsicherung werden schon länger debattiert – Deutschlands Innenminister De Maizière sagte am Montag in Brüssel, die Vorgespräche dafür liefen relativ gut. Bisher hielt sich die Zustimmung aus Osteuropa – ebenso wie bei der Quotenregelung – in Grenzen. Probleme bei der Umsetzung sieht man in Berlin noch bei der Finanzierung dieser Zentren, ebenso wie bei der gesamten Grenzsicherungsfrage. Beklagt wird, dass es noch kein vernünftiges Zahlenmaterial zur Berechnung der Kosten gebe. Finanzminister Schäuble wehrt sich zudem massiv gegen den Plan, jenen Ländern, die mehr Flüchtlinge aufnehmen, eine Aufweichung der Maastricht-Regelungen zu erlauben.

Umgang mit Orban

Abzustimmen gilt es aber auch, wie Österreich und Deutschland mit Viktor Orbàn umgehen wollen. Während Werner Faymann ja höchst kritische Töne gegenüber Budapest angeschlagen hat, ist Angela Merkel in ihrer Kritik weitaus zurückhaltender. Eine gesamteuropäische Lösung ohne Ungarn hält man in Berlin für nicht machbar – und ebenso wenig hält man von der Idee, störrische EU-Staaten mit Strafen zu belegen. Es gibt also viel zu bereden.

Freilassing an der österreichisch-deutschen Grenze: Die Bundespolizei winkt Fahrzeuge aus der Kolonne, vereinzelt werden Personen aus Autos gefischt. Deutschland kontrolliert seit Sonntagabend wieder die Grenzen – davon, dass man "dichtgemacht" habe, spricht hier aber niemand. "Wir setzen ja keine Schlagbäume ein", sagt Gero von Vegesack, Sprecher der Bundespolizei in Potsdam, zum KURIER. Durchgeführt würden verschärfte Kontrollen in Zügen und auf Straßen, wenn Flüchtlinge darunter seien, so würden diese registriert und in Erstaufnahmelager gebracht. "Wer deutschen Boden betreten hat und einen Antrag auf Asyl stellt, wird so behandelt."

Dass die Grenze nicht geschlossen sei, betont man auch in Berlin. Deutschland werde weiterhin Bürgerkriegsflüchtlinge und Verfolgte aufnehmen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Es bleibt auch dabei: Wir schaffen das. Aber niemand hat gesagt, wir schaffen das über Nacht", sagte Seibert. Österreichs Kanzler Werner Faymann bestätigte diese Haltung – er sprach am Montag davon, dass "Deutschland bisher niemand zurückgeschickt hat."

Innenpolitisch sorgen die neuen Grenzkontrollen allerdings für gemischte Gefühle. Die Opposition übt scharfe Kritik, vor allem die Linke und die Grünen schlossen sich der Kritik von NGOs an, dass mit der Abschreckungsmaßnahme nur eine Verschlechterung der Lage in anderen Staaten herbeigeführt werde: "Flüchtlinge in Ungarn drohen im lebensgefährlichen Chaos zu versinken", so Amnesty International. "Die verhängnisvolle Entscheidung löst jetzt eine Abschottungskaskade in gesamt Europa aus", so Grünen-Chefin Simone Peter.

Krisengipfel

Innerhalb der Koalitionsparteien hat der Schritt allerdings für Beruhigung gesorgt – Angela Merkel, die zuletzt auch in der eigenen Partei immer mehr in die Kritik kam, hat zur Kalmierung der rebellischen Ministerpräsidenten einen Krisengipfel einberufen. Die geplante Klausur des Kabinetts wurde abgesagt, nach der Unterredung mit Werner Faymann wird sie am Dienstag alle Länderchefs empfangen. Dabei steht auch das seit Langem diskutierte Einwanderungsgesetz auf der Agenda, mit dem die SPD eine geordnete Zuwanderung schaffen will; die CDU, bisher Gegnerin dieses Plans, hat am Montag Gesprächsbereitschaft angedeutet.

Auch wie Dauer der Maßnahme wird Thema sein, zumal auch Sachsen angekündigt hat, die Grenze zu Tschechien verstärkt kontrollieren zu wollen. Laut EU-Kommission dürfen die Kontrollen maximal bis zu zwei Monate aufrechterhalten werden, eine Verlängerung sei aber möglich. Auch wenn sie fortgesetzt werden: Die Polizeigewerkschaft warnt vor zu hohen Erwartungen. "Das ist nicht die Lösung der Krise, sondern ein kleiner Baustein", so ihr Chef Rainer Wendt in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die Kontrollen würden wenige Flüchtlinge abhalten, sie hätten "eher Signalfunktion in die EU hinein, um die Mitgliedsländer zu solidarischem Verhalten zu bewegen".

Der Plan: Hotspots an den EU-Außengrenzen

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