Um "Mama Merkel" wird es zusehends einsam
Wolfgang Schäuble weiß um das Gewicht seiner Worte. Wenn der deutsche Finanzminister die vielen Flüchtlinge, die es nach Deutschland zieht, mit einer Naturkatastrophe vergleicht, so gleicht das einem Sprengsatz. "Lawinen kann man auslösen, wenn irgendein etwas unvorsichtiger Skifahrer an den Hang geht und ein bisschen Schnee bewegt", sagte er am Mittwoch: eine klare Botschaft – die Skifahrerin, das ist Angela Merkel; der Schnee, das ist ihr "Wir schaffen das"-Mantra.
Identitätsfrage
Merkel erscheint plötzlich als Getriebene der eigenen Partei. "Es gibt großen innerparteilichen Widerstand, und Schäuble bringt den nun zum Ausdruck", sagt Uwe Jun, Sprecher des Arbeitskreises Parteienforschung an der Uni Trier. Dieser Gegenwind habe aber weniger mit der realpolitischen Problematik zu tun als mit ideologischen Fragen. "Die nationale Identität ist eines der letzten Leitbilder der CDU. Viele stellen sich die Frage, ob man das wegen Merkel auch noch aufgeben will."
Schonfrist bis 2016
Offen infrage gestellt würde Merkels Führungsposition von der Partei deshalb aber noch nicht. "Die größte Gefahr für die CDU-Parteivorsitzende ist es, bei Wahlen schlecht abzuschneiden", sagt Jun. Insofern hätte Merkel bis zum Frühjahr 2016 Zeit, um die Wogen zu glätten. Dann stehen in zwei Bundesländern Wahlen an.
Wieso sie selbst sich nicht deutlicher gegen ihre Kritiker positioniert, ist für den Wissenschaftler leicht erklärt. "Merkel beachtet immer, was die Mehrheit der Bevölkerung denkt", sagt er – nun gerate sie aber auch hier in die Defensive, denn bei den Bürgern drehe sich der Wind. Am Freitag wird sie dazu aber Stellung beziehen müssen, dann ist sie im ZDF zu einem ihrer raren Interviews geladen. Markige Worte wären da aber eine Überraschung: "Vorsicht ist ein wesentliches Zeichen ihrer Politik. Deshalb ist sie derzeit doppelt vorsichtig."
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