Problemlösung ohne Griechenland nicht möglich

Ohne Griechenland wird es keine Lösung geben, sagt Politikwissenschaftler Peters.
Politologe Peters sagt, dass Hilferufe Athens ignoriert werden, obwohl das Land "total überlastet" ist.

Für den Ausschluss Griechenlands von der am Mittwoch in Wien stattfindenden Westbalkankonferenz zur Migrationspolitik ist Österreich international heftig kritisiert worden. Der deutsche Politikwissenschafter Ingo Peters von der Freien Universität Berlin sieht darin einen "Wink nach Brüssel". Das aktuelle Problem sei aber ohne Griechenland nicht in den Griff zu bekommen, zeigte sich Peters im Gespräch mit der APA überzeugt.

Dass "über die Köpfe Dritter hinweg verhandelt wird" und sogar Nicht-EU-Mitlieder zu der Konferenz eingeladen wurden, Athen aber "rausgehalten" werde, wertete Peters als "nicht gut und nicht richtig". Die heftige Kritik seitens Österreichs, aber auch anderer EU-Länder an Griechenland ist nach Ansicht des Experten nur gerechtfertigt, wenn man "keine Empathiefähigkeit" besitzt. Das Land sei schon vor Beginn der Flüchtlingskrise in "desolatem Zustand" gewesen. "Und jetzt sind die Ablaufkanäle (für Flüchtlinge, Anm.) verstopft - das ist ungeheuer dramatisch für den armen, kleinen Staat".

Paradox der Politik

Es sei ein Paradox der Politik, Hilferufe erst dann zu hören, wenn es zu spät ist - "weil davor sieht es nicht so dramatisch aus, das ist dann der Überlastungseffekt", erklärte Peters. Diese Hilferufe aus Athen würden schon lange ignoriert und "jetzt macht man weiter mit dem Nicht-Zuhören". Die Griechen seien "total überfordert". Nun sei der "konstruktive Teil der EU gefordert", dem Mittelmeerland zu helfen.

Die Vorgehensweise der österreichischen Regierung hinsichtlich der Westbalkankonferenz sei aber "typisch" für die derzeitige Politik in Europa, wo in "Kleingruppen, in denen alle mehr oder weniger darauf geeicht sind, ihre Grenzen zu schließen", beraten wird. Im Grunde sei dies als "Wink nach Brüssel" zu sehen, der zu verstehen geben soll: "Auf Gemeinsamkeit können wir offenbar nicht setzen und setzen wir auch nicht", so Peters. "Und das ist im Grunde das Tragische, das macht die Sache verfahren."

"Wertegemeinschaft" als "bloße Interessengemeinschaft"

In der Krise habe sich nun die von vielen erhoffte "Wertegemeinschaft" als "bloße Interessengemeinschaft" entlarvt. Einen Zerfall der Europäischen Union sieht der deutsche Wissenschafter jedoch trotzdem nicht. Die "Unfähigkeit, mit einer Stimme zu sprechen" gab es - vor allem in den Außenbeziehungen - schon immer. Dass dies nun auf die Innenpolitik übergeschwappt ist, sei zwar ein "Paukenschlag, aber ich sehe jetzt nicht unmittelbar, dass Verträge aufgelöst werden", betonte Peters, Direktor der Arbeitsstelle Transnationale Beziehungen, Außen- und Sicherheitspolitik (ATASP) an der FU Berlin.

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