Tief gespaltene Slowakei: Prozess gegen Fico-Attentäter beginnt

Der Angreifer des slowakischen Premierministers Fico steht in Banska Bystrica vor Gericht.
Dem Pensionisten wird vorgeworfen, Fico im Mai des Vorjahres aus politischen Motiven angeschossen zu haben. Der Angeklagte bestreitet die Tötungsabsicht.

Zwei Sätze wollte Juraj Cintula noch loswerden. „Es lebe die freie Kultur“ und „Es lebe die Demokratie“, rief er, während ihn Polizisten im slowakischen Banská Bystrica ins Spezialstrafgerichtsgebäude führten. Dort hat am Dienstag der Prozess um das Attentat auf den slowakischen Premierminister Robert Fico begonnen. 

Dem 72-jährigen Cintula wird vorgeworfen, Fico im Mai des Vorjahres aus politischen Motiven angeschossen und lebensgefährlich verletzt zu haben. In einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung gesteht der Pensionist zwar die Tat, bestreitet jedoch jede Tötungsabsicht. Er selbst verweigert die Aussage. Ihm droht lebenslange Haft. 

Tief gespaltenes Land

Der Prozess spielt sich in einer tief gespaltenen Slowakei ab – zerrissen war das Land schon vor dem Attentat. Doch seit dem 15. Mai 2024 sind die Gräben tiefer, die Töne schriller geworden. Fico, der zum vierten Mal regiert – aggressiver und nationalistischer denn je –, macht offen Kampagnen der liberalen Opposition und Medien für den Angriff verantwortlich. 

Anhänger und Gegner überziehen sich mit Schuldzuweisungen. Keine zwei Stunden nach dem Attentat hatte etwa Ficos Stellvertreter Ľuboš Blaha „die Progressiven, die gesamte Opposition, die liberalen Medien“ in der Verantwortung gesehen. Innenminister Matus Sutaj Estok legte nach, sprach von emotionaler „Hetze“ und Lügen gegen die Regierung. Oppositionsführer Michal Simecka wirft Fico wiederum vor, selbst am meisten Hass zu schüren. Statt zu deeskalieren, gieße er weiter Öl ins Feuer.

Autoritärer Kurs

Der Langzeitpremier, der 2023 erneut gewählt worden ist, fährt einen zunehmend antiwestlichen, autoritären Kurs. Unter ihm führte das Land etwa eine Kehrtwende bei der Unterstützung für die Ukraine durch, mit der sich die Slowakei eine 100 Kilometer lange Grenze teilt. 

In seiner Russlandnähe steht er laut Kritikern dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban  inzwischen um wenig nach. Als einziger EU-Regierungschef reiste Fico etwa im Mai zur Siegesparade nach Moskau, um mit Kremlchef Wladimir Putin zu feiern. 

Der russische Präsident Putin begrüßt ausländische Staats- und Regierungschefs vor der Parade zum Jahrestag des Sieges im Zweiten Weltkrieg in Moskau.

Im Mai war Fico bei Kremlchef Wladimir Putin in Moskau zu Gast.

Innenpolitisch treibt er umstrittene Reformen voran, in den Bereichen Justiz, Medien- und Kultur oder der Finanzierung von NGOs. Immer wieder kokettiert er medienwirksam mit einem Austritt der Slowakei aus EU und NATO – nur um Kritik daran später als „Lüge“ und „Umsturzpläne“ der Opposition zu verunglimpfen. Wesentliche Reformen, etwa in Gesundheits- und Sozialwesen oder Wirtschaft bleiben unterdessen auf der Strecke, analysierte Tomislav Delinić Leitar der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Slowakei für n-tv. Regelmäßig kommt es zu Massenprotesten.

In einer am ersten Prozesstag verlesenen Aussage, erklärte Cintula, mit der Politik Ficos nicht einverstanden zu sein, etwa mit Entschärfungen bei der Korruptionsbekämpfung oder den Einschnitten im Kulturbereich. Direkt nach der Tat hatte er von Hass auf den Linkspopulisten gesprochen. Vorerst sind zwei Verhandlungstage angesetzt – eine Verlängerung gilt als wahrscheinlich.    

Kommentare