Busen gegen das Böse

Activists from women's rights group Femen shout slogans during a protest supporting the rights of Arab women, including the Tunisian activist Amina, at the entrance of the Brussels Mosque in Brussels April 4, 2013. REUTERS/Francois Lenoir (BELGIUM - Tags: SOCIETY RELIGION CIVIL UNREST TPX IMAGES OF THE DAY) TEMPLATE OUT
Die feministische Protest-Gruppe Femen feiert ihr kontroversielles fünfjähriges Bestehen.

Es ist ein Café im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Einige Stufen abwärts in einem Kellergewölbe unter einer Bäckerei mit dem Namen „Wiener Gebäck“. Seit Jahren wird hier bei Bier oder Hochprozentigem philosophiert und geschimpft über die Regierung, die Zustände, den Präsidenten – mit proportional zum Alkoholspiegel steigender Intensität. Manche kommen, um Schach zu spielen. Andere, um Aufstände zu besprechen: Einst waren es die Orangen Revolutionäre, dann die Femen.

Das Café Kupidon war einst inoffizielles Hauptquartier der feministischen Spaßguerilla – als die Gruppe noch eine solche war. Eine der besonders grellen Blüten, die die so vielschichtige ukrainische Zivilgesellschaft infolge der Orangen Revolution getrieben hatte. Heute treffen sich die Aktivistinnen der Femen viel lieber hinter verschlossenen Türen, um ihre Aktionen zu besprechen. Im Büro der Organisation.

„Filialen“ in Europa

In fünf Jahren ihrer Existenz hat sich die Gruppe von einem aktionistischen Haufen, der gegen Sex-Tourismus in der Ukraine protestiert hatte, in eine Art Franchise-Unternehmen mit Filialen in Deutschland und Frankreich verwandelt. Das alles mit einem hohen Grad an Professionalität. Um Sicherheitsleute, wie zuletzt jene Putins, derart zu narren, dass es den Aktivistinnen beinahe geglückt wäre, den russischen Präsidenten niederzureißen, braucht es Erfahrung.

Inna Schewtschenko, eine der Gründerinnen der Organisation, schrieb in einem Guardian-Kommentar: „Wir sind die Schock-Truppe des Feminismus, die moderne Inkarnation des Wortes furchtlos.“ Und: „Wir sind im Krieg.“

Nackt vor Moscheen

Es ist ein Krieg, in dem Gegner und Ziele inflationär werden: Das patriarchale System, Wahlfälschung, Diktaturen, Sexindustrie, Religion. Zuletzt startete die Femen unter dem Titel „Oben-Ohne-Dschihad“ eine Serie von Anti-Islam-Prosten. Nackt-Proteste vor Moscheen inklusive. Zugleich wettert man gegen „Unterdrückung“, „Homophobie“ oder „Faschismus“.

Kritiker meinen, das seien alles nichts als „Floskeln“ und „Effekt-Hascherei“. Konkret sei nichts bewirkt worden. Und auch ukrainische Feministinnen, die mit den Femen nichts am Hut haben, mahnen, dass gerade der Nackt-Protest letztlich nur eines einzementiere: Das fälschlicherweise sexuell aufgeladene Image ukrainischer Frauen. Kritik gibt es auch an der Finanzierung, über die nicht gerne gesprochen wird. Geld komme durch Spenden und den Onlineshop, heißt es. Zu finden sind dort T-Shirts, Häferl – und Brust-Abdrücke.

Inna Schewtschenkos Schwester Alexandra sagte einmal, als man zu Beginn angezogen demonstriert hatte, sei man medial nicht wahrgenommen worden. Nackt war das dann anders. Auf die KURIER-Frage, was an nackten Brüsten denn so provokant sei, antwortete eine Aktivistin: „Das Provokante ist, dass es protestierende Brüste sind.“

Nackter Protest geht vermutlich auf das frühe 20. Jahrhundert zurück. Seither haben Bewegungen die Nacktheit als Taktik verwendet, um sich – medial – Gehör zu verschaffen. Vor allem Tierschützer benützten die Nacktheit als Mittel, aber auch für soziale Proteste zogen sich die Menschen aus, wenn sie auf die Straße gingen. Tierschützer demonstrierten gegen Pelz, für den Veganismus, gegen Tiertransporte und für die „moralische Behandlung von Tieren“ (PeTA). „Lieber nackt als Pelz“, sagten Dutzende Promis, darunter das Supermodel Naomi Campbell und Schauspielerin Pamela Anderson.

Nackte demonstrierten gegen Studiengebühren und Steuererhöhungen, gegen den Stierkampf und Krieg.

Anti-Krieg

Mit nackter Haut gegen Gewalt und Krieg zu demonstrieren, wurde vor allem in den 1960er-Jahren modern. Yoko Ono und John Lennon machten es, ihre Nacktfotos druckten sie auf ein Albumcover. In den Sechziger und Siebziger Jahren entstanden mehrere Fotos nackter Menschen, die mit ihren Körpern ein Peace-Zeichen oder Forderungen (wie „No War“/„Kein Krieg“) formten.

Femen-Aktivistinnenwurden nach einem Protest einmal verschleppt. Mit übleren Folgen haben Nackt-Demonstranten etwa in Ägypten zu rechnen. Die Kairoer Kunststudentin Aliaa Elmahdy twitterte ein Nacktfoto, um gegen die Gesellschaft der Gewalt, des Rassismus, und des Sexismus zu protestieren. Sie erhielt Todesdrohungen.

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