FDP Thüringen: Mit fünf Prozent und AfD zum Ministerpräsidenten

Ministerpräsident Kemmerich
FDP-Politiker Thomas Kemmerich wurde zum Regierungschef gewählt. Er setzte sich gegen Bodo Ramelow (Linke) durch.

Thomas Kemmerich ist selbst in Thüringen nicht sehr bekannt. Aber er ist der neue Regierungschef. Er setzte sich bei der Abstimmung am Mittwoch im Landtag in Erfurt im entscheidenden dritten Wahlgang gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) durch. Mit den Stimmen der AfD. „Das ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD ins Amt gewählt wurde“, kommentierte der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz

Die FDP hat nur fünf von 96 Sitzen im Landtag und im dritten Wahlgang reichte ein einfache Mehrheit. Die CDU-FDP-Regierung kommt auf insgesamt 26 Sitze, für eine Mehrheit wären 46 notwendig. Somit ist die Regierung stets auf Unterstützung der Opposition angewiesen.

Linkspartei, SPD und Grüne empört

Der noch amtierende Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) hatte auch im zweiten Durchgang nicht genügend Stimmen für eine weitere Amtszeit erhalten. Auch der von der AfD aufgestellte parteilose Kandidat Christoph Kindervater erreichte bei weitem nicht die absolute Mehrheit.

Der Linke-Politiker Ramelow wollte mit SPD und Grünen eine Minderheitsregierung bilden. Diese sind empört:

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat CDU und FDP vorgeworfen, in Thüringen einen „unverzeihlichen Dammbruch“ ausgelöst zu haben. „Dass die Liberalen den Strohmann für den Griff der Rechtsextremisten zur Macht geben, ist ein Skandal erster Güte“, schrieb Walter-Borjans am Mittwoch auf Twitter. „Da kann sich niemand in den Berliner Parteizentralen wegschleichen.“ SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach von einem „Tiefpunkt der deutschen Nachkriegsgeschichte“. Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich habe sich mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD an die Macht wählen lassen.

Grüne: Schulterschluss mit "Rechtsextremen"

Die Thüringer Grünen haben die Unterstützung einer Regierung von Kemmerich ausgeschlossen. Seine Fraktion wähle die Rolle der Opposition, erklärte Fraktionschef Dirk Adams am Mittwoch. „Die Unterstützung eines Ministerpräsidenten, der sich bewusst und voller Absicht mit den Stimmen der AfD in dieses Amt wählen lässt, steht für uns nicht zur Debatte.“

Adams warf CDU und FDP einen Schulterschluss „mit der rechtsextremen AfD in Thüringen“ vor. Andere seiner Fraktionskollegen sprachen auf Twitter von einem Dammbruch. „Das ist ein unfassbares Ergebnis. Die FDP lässt sich von Faschisten ins Amt heben und die CDU ist willfähiger Gehilfe“, schrieb etwa die Abgeordnete Madeleine Henfling.

Selbst innerhalb der FDP brodelt es: Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum hat die Wahl von Kemmerich zum neuen Thüringer Ministerpräsidenten scharf kritisiert. „Ein Hauch Weimar liegt über der Republik“, sagte der Jurist am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Köln. „Ich bin ein alter Mann, 87 Jahre alt. Mir stecken die Schrecken der Nazis und übrigens auch der Nachkriegszeit, in der das Naziwesen noch lebendig war, tief in den Knochen. Und ich sehe in dieser Entscheidung in Thüringen einen Schritt in Richtung Weimar.“ Die Parallele bestehe darin, dass der Rechtsextremismus wieder tief aus der Mitte des Bürgertums komme.

Kemmerich hätte nie kandidieren dürfen, sagte Baum. Zumindest hätte er die Wahl ablehnen müssen. „Das ist ein unverzeihlicher Dammbruch. Jetzt kommt die AfD erstmals indirekt in die Regierungsverantwortung eines deutschen Landes.“

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