Syrischer Kurde soll für Anschlag verantwortlich sein

Türkei-Anschlag
Medienberichten zufolge soll der Attentäter als Flüchtling in die Türkei gekommen sein.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gestern Abend forderte ein Anschlag auf einen Militärkonvoi in der türkischen Hauptstadt Ankara 28 Tote.
  • Heute morgen folgte ein weiterer Anschlag auf einen Militärkonvoi im Südosten der Türkei.
  • Beim zweiten Angriff kamen sechs Soldaten ums Leben.
  • 14 Personen wurden im Zusammenhang mit dem ersten Anschlag festgenommen.
  • Einer der Attentäter soll ein syrischer Kurde sein, der als Flüchtling in die Türkei gekommen ist
  • Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu machte die syrische Kurdenmiliz YPG gemeinsam mit der türkischen Arbeiterpartei Kurdistans ( PKK) für beide Anschläge verantwortlich.
  • Die syrische Kurdenpartei hat die Verantwortung für die Anschläge bestritten.
  • Ein PKK-Kommandant sagte: "Wir wissen nicht, wer das (in Ankara) war."
  • Präsident Erdogan kündigte an, den Kampf gegen den Terror noch entschlossener zu führen.
  • Der Mini-Gipfel der "Koalition der Willigen" heute Mittag in Wien wurde unterdessen bereits gestern abgesagt, weil Ministerpräsident Davutoglu angesichts der Anschläge nicht teilgenommen hätte.

Anschläge in der Türkei

Der schwere Anschlag in der türkischen Hauptstadt Ankara mit 28 Toten soll nach Angaben des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu von einem Kurden aus Syrien verübt worden sein. Die syrische Kurdenmiliz YPG habe das Attentat in Zusammenarbeit mit der türkischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ausgeführt, erklärte Davutoglu. 14 Personen seien in Zusammenhang mit dem Anschlag festgenommen worden, sagte der Premier und kündigte zugleich Vergeltung für den Anschlag an.

(Alles, was Sie über die Organisationen der Kurden wissen müssen, lesen Sie unten)

Unterdessen ist ein Militärkonvoi im Südosten der Türkei am Donnerstag von einer Explosion erschüttert worden. Nach ersten Informationen zufolge sollen dabei sechs Soldaten ums Leben gekommen sein. Die Explosion habe sich auf der Straße zwischen Diyarbakir und dem Bezirk Lice ereignet. Der PKK-Kommandeur Cemil Bayik sagte der PKK-nahen Agentur Firat am Donnerstag: "Wir wissen nicht, wer das (in Ankara) getan hat. Es könnte aber ein Vergeltungsschlag für die Massaker in Kurdistan gewesen sein."

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Medienberichte: Als Flüchtling über die Grenze

Zuvor hatte es in Medienberichten geheißen, bei dem Attentäter vom Mittwoch handle es sich um einen Mann, der als Flüchtling in die Türkei gekommen sei und einer Kurdenmiliz in Syrien nahegestanden habe. Er habe das Anschlagsauto gefahren und sei durch die Explosion getötet worden, berichteten mehrere Zeitungen am Donnerstag unter Berufung auf die Polizei.

Syrischer Kurde soll für Anschlag verantwortlich sein
A family member of Wednesday's car bombing victims mourns outside a morgue in Ankara, Turkey, February 18, 2016. Twenty-eight people were killed and dozens wounded in Turkey's capital Ankara on Wednesday when a car laden with explosives detonated next to military buses near the armed forces' headquarters, parliament and other government buildings. REUTERS/Umit Bektas

Bei dem Autobombenanschlag auf einen Militärkonvoi im Regierungsviertel von Ankara waren am Mittwoch 28 Menschen getötet und mehr als 60 weitere verletzt worden. Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat. Der syrische Kurde wurde den Medienberichten zufolge nun mittels bei seiner Einreise genommener digitaler Fingerabdrücke identifiziert. Ob es sich um einen Selbstmordattentäter handelte, stand zunächst nicht fest.

Armee geht gegen PKK vor

Seit dem bisher blutigsten Anschlag in der Türkei, bei dem im Oktober bei einer prokurdischen Friedensdemonstration in Ankara 103 Menschen getötet wurden, gilt die höchste Terrorwarnstufe. Die türkischen Behörden machten damals die Dschihadistenorganisation "Islamischer Staat" (IS) für die Tat verantwortlich.

Syrischer Kurde soll für Anschlag verantwortlich sein
Epa05167476 Relatives of victims weep outside the forensic morgue in Ankara, Turkey, 18 February 2016. A car bomb targeting the military in the capital Ankara has killed 28 people and injured 61. It remained unclear who was behind the attack. The army indicated military personnel were among those killed in the blast, which took place in the key government district of the Turkish capital Ankara. EPA/TOLGA BOZOGLU

Vor einem Monat sprengte sich ein mutmaßlicher IS-Anhänger in Istanbul in die Luft und tötete elf deutsche Touristen. Die türkischen Sicherheitskräfte nahmen in den vergangenen Wochen zahlreiche mutmaßliche IS-Kämpfer fest, die Anschläge in Ankara und der Metropole Istanbul geplant haben sollen.

Im Südosten des Landes geht die Armee mit aller Härte gegen die PKK vor. Die Rebellen verüben immer wieder Anschläge auf die türkischen Sicherheitskräfte. Der jahrzehntelange Konflikt mit der PKK eskalierte im vergangenen Sommer wieder, nachdem der Friedensprozess mit der türkischen Regierung zusammengebrochen war.

"Niederträchtiger und verräterischer Angriff"

Ziel des Anschlags im Regierungsviertel Cankaya in der Nähe des Parlaments waren nach Angaben der Armee Fahrzeuge, die Angehörige der Streitkräfte transportierten. Auf Fotos vom Anschlagsort waren ausgebrannte Busse zu sehen. Zu der Detonation sei es gekommen, als die Fahrzeuge gegen 18.30 Uhr (Ortszeit/17.30 MEZ) an einer Ampel gehalten hätten, teilte das Militär mit. Es handle sich um einen "niederträchtigen und verräterischen Angriff".

Syrischer Kurde soll für Anschlag verantwortlich sein
Erweiterung: Schwere Bombenanschläge in der Türkei seit 2015, Kurdische Siedlungsgebiete Karte Ankara mit Lokalisierung, Übersichtskarte Türkei GRAFIK 0191-16, 88 x 132 mm

Davutoglu sagte nach dem Anschlag seinen Besuch in Brüssel zu Gesprächen über die Flüchtlingskrise ab. Davutoglu wollte am Donnerstag in Brüssel mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras zusammenkommen. Außerdem sollte er die Staats- und Regierungschefs der Koalition der "Willigen" treffen. Auch dieser Mini-Gipfel, der in der österreichischen EU-Vertretung stattfinden sollte, wurde abgesagt.

Internationale Empörung

Der Anschlag wurde international scharf verurteilt. "Die Bundesregierung verurteilt diesen neuerlichen terroristischen Akt auf das Schärfste", sagte die deutsche Kanzlerin Merkel nach einer Mitteilung des Bundespresseamtes. Auch Frankreichs Präsident François Hollande verurteilte das "schändliche Attentat" und versicherte der Türkei seine Unterstützung. Bundeskanzler Faymann zeigte sich "erschüttert". Auch die iranische Regierung sprach der Türkei ihr Mitgefühl aus.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan berief ein Sicherheitstreffen ein und sagte eine Reise nach Aserbaidschan ab. Erdogan sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus und kündigte an, der Kampf gegen den Terror werde noch entschlossener weitergeführt. Die Regierung verhängte aus Gründen der "nationalen Sicherheit" eine Nachrichtensperre über den Anschlag, die aber nicht offizielle Verlautbarungen betrifft.

Syrischer Kurde soll für Anschlag verantwortlich sein
An ambulance arrives after an explosion in Ankara, Turkey February 17, 2016. Five people were killed in an explosion in the Turkish capital Ankara on Wednesday in what appeared to have been a car bomb attack on a vehicle carrying military personnel, broadcaster CNN Turk said, citing the city's governor Mehmet Kiliclar. REUTERS/Umit Bektas
Syrischer Kurde soll für Anschlag verantwortlich sein
Epa05166517 Emergency services at the scene following a car bomb detonation close to military buildings in Ankara, capital of Turkey, 17 February 2016. Ankara governor Mehmet Kilic said, five people died, 10 people were injured in the attack. EPA/STR
Syrischer Kurde soll für Anschlag verantwortlich sein
Firefighters try to extinguish flames following an explosion after an attack targeted a convoy of military service vehicles in Ankara on February 17, 2016. At least five people were killed and 10 people were wounded in a car bombing in the Turkish capital Ankara on February 17, the city's governor said. The attack targeted a convoy of military service vehicles, Ankara governor Mehmet Kiliclar said, quoted by the CNN-Turk and NTV channels. / AFP / STRINGER
Syrischer Kurde soll für Anschlag verantwortlich sein
Epa05166519 Emergency services at the scene following a car bomb detonation close to military buildings in Ankara, capital of Turkey, 17 February 2016. Ankara governor Mehmet Kilic said, five people died, 10 people were injured in the attack. EPA/STR
Syrischer Kurde soll für Anschlag verantwortlich sein
Cars of emergency services arrive after an explosion in Ankara, Turkey February 17, 2016. Five people were killed in an explosion in the Turkish capital Ankara on Wednesday in what appeared to have been a car bomb attack on a vehicle carrying military personnel, broadcaster CNN Turk said, citing the city's governor Mehmet Kiliclar. REUTERS/Umit Bektas

In der Türkei, in Syrien und im Norden des Iraks haben sie bewaffneten Einheiten. Sie alle kämpfen gegen die radikalsunnitische Miliz Islamischer Staat (IS), die in Syrien und im Irak ein Kalifat ausgerufen hat.

PKK: Die türkisch-kurdische Arbeiterpartei Kurdistans ist in der Türkei verboten und steht dort sowie in der EU und den USA auf der Terrorliste. Ihr Hauptquartier liegt in den Kandil-Bergen im Nordirak. Von 1984 an kämpfte die PKK mit Waffengewalt und Anschlägen für einen kurdischen Staat oder ein Autonomiegebiet im Südosten der Türkei. PKK-Chef Abdullah Öcalan sitzt seit 1999 in Haft.

Inzwischen ist die PKK von der Maximalforderung eines unabhängigen Staates abgerückt und verlangt Autonomie. Die islamisch-konservative AKP-Regierung und die PKK bemühten sich um einen Friedensprozess. Im März 2013 erklärte die PKK eine Waffenruhe. Dieser Prozess wurde beendet. Die Türkei bombardiert wieder PKK-Einrichtungen im Nordirak und die PKK verübt Mordanschläge auf türkische Polizisten.

YPG: Die kurdischen Volksschutzeinheiten im Norden Syriens sind eng mit der PKK verbunden. Sie haben sich zum erbitterten Gegner des IS entwickelt und sind in Syrien der wichtigste Partner des von den USA geführten Bündnisses gegen den IS. Mittlerweile beherrscht die YPG die größten Teile der Grenze zur Türkei. Dort haben die Kurden in drei Kantonen Selbstverwaltungen errichtet. Das stößt auf Unwillen der Türkei, die einen Kurdenstaat an ihrer Grenze verhindern will.

Peshmerga: Die Peshmerga ("die den Tod vor Augen haben") sind die Militäreinheiten der irakischen Kurden. Sie waren vor allem bekannt als Widerstandskämpfer in den Bergen, verwandeln sich aber seit dem IS-Vormarsch mehr und mehr in reguläre Streitkräfte der kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak.

Die Peshmerga erhalten Waffen aus Deutschland und anderen Ländern. Die Bundeswehr und verbündete Armeen bilden ihre Kämpfer aus. Das Verhältnis der Peshmerga zur PKK und zur YPG ist traditionell angespannt. Trotzdem unterstützten nordirakische Kurden die YPG-Kämpfer im Kampf gegen den IS um die syrische Grenzstadt Kobane.

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