Experten schütteln Kopf: Indien will im August mit Corona-Impfung starten

Die Tübinger Firma CureVac arbeitet an der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs. Die deutsche Regierung investiert 300 Millionen Euro.
Behörden machen Druck, doch Experten halten das für „unmöglich“ – normalerweise dauert die Entwicklung eines Impfstoffs zwölf bis sechzehn Jahre.

Indien ist eines der am stärksten vom Coronavirus betroffenen Länder – man zählt mit mehr als 719.000 Infizierten die viertmeisten Fälle weltweit. Wenig Wunder, dass die Regierung unter Narenda Modi da auf die Entwicklung eines Impfstoffs drängt, und das so schnell wie möglich.

Wie schnell es jetzt aber gehen soll, sorgt bei Experten für Verwunderung: Balram Bhargava, Direktor des Indischen Rates für medizinische Forschung (ICMR), hat nämlich jetzt in einem öffentlich gewordenen Brief angekündigt, schon seit 7. Juli einen Impfstoff großflächig an Menschen zu testen - um ihn dann am 15. August auf den Markt zu bringen, also am indischen Unabhängigkeitstag. Ein Datum mit höchster politischer Bedeutung für Indiens nationalistisch gesinnten Premier.

Verwunderung

Derzeit werden weltweit Dutzende Impfstoffe gegen das grassierende Virus entwickelt, und normalerweise dauert dies Jahre – beim Dengue-Fieber etwa dauerte die Suche von 1945 bis 2019, bei Ebola etwa macht man seit 1998 Tests. Dass die indischen Behörden die klinischen Tests in nur sechs Wochen durchpeitschen will, sorgt bei Experten darum für Verwunderung: Zwar werden weltweit die Verfahren beschleunigt, doch eine so kurze Testdauer wäre bisher ein komplettes Novum.

„So etwas hat es nach meinem Kenntnisstand noch nie gegeben“, twitterte etwa Anant Bhan, ein indischer Biomediziner, der auch im indischen TV öfter befragt wird. „Selbst mit beschleunigten Verfahren scheint das übereilt zu sein und hat viele potenzielle Risiken, weil man dem Prozess nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt.“  Kiran Mazumdar Shaw, Gründerin und Chefin des indischen Biotech-Unternehmens Biocon, sagte: „Es ist unmöglich, die Phasen 1 bis 3 einer Covid-19-Impfung in sechs Wochen zu komplettieren.“

 

17 Vakzine im fortgeschrittenen Stadium

Momentan befinden sich weltweit 17 in der fortgeschrittenen Entwicklung, davon stammen allein acht aus China. Nur ein Medikament, von Astra Zeneca und der Oxford Universität, hatte bis zum 20. Juni Phase 3 der Tests erreicht, wurde also nach kleineren Studien am Menschen an deutlich mehr Probanden getestet. In Phase 3 nehmen auch Risikogruppen wie Ältere oder immunschwache Personen teil, die Studien sollen erneut nachweisen, dass der Impfstoff unbedenklich ist.

Seitens der Behörde wurde gegenüber Reuters betont, dass es sich bei dem Brief um ein internes Memo gehandelt habe, das nicht zur Veröffentlichung gedacht gewesen sei. Der 15. August sei auch nur als Enddatum für alle Tests vorgesehen gewesen, nicht als Tag der Marktreife. Experten sehen aber selbst das kritisch: Die indische Akademie der Wissenschaften zeigte sich besorgt über die möglichen Risiken, da eine Langzeitbeobachtung fehle.

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