Erstmals Ex-Staatschef vor Internationalem Strafgericht

Ex-Präsident der Elfenbeinküste Laurent Gbagbo
Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Laurent Gbagbo beteuert in Den Haag seine Unschuld.

In Den Haag hat der mit Spannung erwartete Prozess gegen den ehemaligen Staatschef der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, begonnen. Der 70-Jährige plädierte am Donnerstag nach Verlesung der Anklageschrift auf nicht schuldig. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des blutigen Machtkampfs nach der umstrittenen Präsidentenwahl 2010 vorgeworfen.

"Ich plädiere auf unschuldig", sagte Gbagbo. Auch sein ebenfalls angeklagter ehemaliger Jugendminister und Milizenchef Charles Ble Goude erklärte sich für unschuldig. Ihnen werden unter anderem Mord, Vergewaltigung und die Verfolgung ihrer Gegner vorgeworfen. Gbagbo erschien lächelnd und entspannt im blauen Anzug zu der Gerichtssitzung.

Erstmals Ex-Staatschef vor Internationalem Strafgericht
Former Ivory Coast President Laurent Gbagbo waits for the start of his trial at the International Criminal Court in The Hague, Netherlands, January 28, 2016. The International Criminal Court's prosecutor vowed on Wednesday to "leave no stone unturned" in investigating alleged crimes committed by all sides in Ivory Coast's brief 2010 civil war, including by supporters of President Alassane Ouattara. Prosecutor Fatou Bensouda was speaking a day before Ivory Coast's former president Laurent Gbagbo was due to go on trial in The Hague on charges of unleashing the civil war, in which 3,000 people died, after refusing to accept his election defeat. REUTERS/Peter Dejong/Pool

"Die Elfenbeinküste versank in Chaos und war Schauplatz unsagbarer Gewalt."

Chefanklägerin Fatou Bensouda sagte, die Anklage habe "eine große Zahl an Beweisen gegen die beiden Angeklagten" zusammengetragen. "Die Elfenbeinküste versank in Chaos und war Schauplatz unsagbarer Gewalt", die teilweise von Gbagbo orchestriert worden sei. Der damalige Präsident habe "vorgehabt, unter Einsatz aller Mittel an der Macht zu bleiben", sagte Bensouda. Er habe "Gewalt als Politik mit anderen Mitteln" betrachtet.

"Kein Prozess gegen das ivorische Volk"

Der Vorsitzende Richter Cuno Tarfusser warnte vor einer "politischen Instrumentalisierung" des Prozesses durch die Parteien in der Elfenbeinküste, wo die Erinnerung an den Konflikt 2010 noch immer die Bevölkerung spaltet. "Dies ist kein Prozess gegen die Elfenbeinküste oder das ivorische Volk, sondern gegen zwei physische Personen", sagte Tarfusser und hob die "Unabhängigkeit" des Gerichts hervor.

Vor dem Gerichtsgebäude in Den Haag fanden sich hunderte Unterstützer von Gbagbo und Goude aus der großen ivorischen Diaspora ein. Sie hatten Trommeln und Fahnen dabei und forderten in Sprechchören die Freilassung der beiden Angeklagten. Gbagbo befindet sich seit November 2011 im Gewahrsam des Haager Gerichts. Goude war im Jänner2013 in Ghana festgenommen und anschließend ausgeliefert worden.

Erstmals Ex-Staatschef vor Internationalem Strafgericht
Supporters of former Ivory Coast President Laurent Gbagbo watch his trial on a screen in Abidjan, January 28, 2016. REUTERS/Luc Gnago

Blutige Auseinandersetzungen

Beim ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl im Oktober 2010 war Gbagbo mit gut 38 Prozent der Stimmen und fast sechs Prozentpunkten Vorsprung vor dem heutigen Staatschef Alassane Ouattara auf dem ersten Platz gelandet. In der Stichwahl Ende November 2010 kam Ouattara amtlichen Angaben zufolge auf gut 54 Prozent, Gbagbo auf knapp 46 Prozent. Ouattara wurde von der EU und den USA als Sieger anerkannt, doch erklärten Gefolgsleute von Gbagbo das Ergebnis wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten für ungültig.

"Als er verstand, dass ihm die Präsidentschaft entgleiten würde, begann er eine Kampagne der Gewalt."

Der Streit ums Wahlergebnis führte rasch zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Seiten. Dabei wurden bis Mai 2011 mehr als 3.000 Menschen getötet.

"Als er verstand, dass ihm die Präsidentschaft entgleiten würde, begann er eine Kampagne der Gewalt", sagte Bensouda. Obwohl Gbagbo dazu in der Lage gewesen wäre, habe er die Gewalt nicht beendet. Gbagbo hielt sich noch monatelang im Präsidentenamt, obwohl Ouattaras Kämpfer in der Endphase sowohl von Truppen der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich als auch von UN-Soldaten unterstützt wurden.

Erstmals Ex-Staatschef vor Internationalem Strafgericht
Supporters of former Ivory Coast President Laurent Gbagbo sit in front of a computer while watching his trial on a screen in Abidjan, January 28, 2016. REUTERS/Luc Gnago

Auch Kritik am heutigen Präsident

Gbagbos Anhänger werfen Paris vor, seinen Sturz orchestriert zu haben. Sie beschuldigen den IStGH der Parteilichkeit, weil er nicht gegen das Lager von Ouattara ermittelt, der im Oktober erneut im Amt bestätigt wurde. Auch Menschenrechtsgruppen beschuldigen beide Lager gleichermaßen, während der blutigen Auseinandersetzungen Verbrechen verübt zu haben. Bensouda sagte dazu, sie ermittle durchaus gegen beide Seiten, doch brauche dies Zeit.

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