Verdächtiger Pferdetransport ermöglicht Coup gegen Mafia

Pizzerien in Deutschland wurden gefilzt
Unter dem Decknamen "Pollino" schlugen die Ermittler in mehreren Staaten Europas gegen die italienische Mafia 'Ndrangheta zu.

Nach fast zweijähriger Vorbereitungszeit schlugen die europäischen Ermittler Mittwochfrüh gleich in mehreren  Ländern zeitgleich gegen die ’ Ndrangheta, Kalabriens Mafia, zu: In Deutschland, Italien, Belgien, in den Niederlanden, aber auch in Südamerika klickten die Handschellen für mindestens 90 Mafiosi. Ihnen wird vor allem Drogenhandel und Geldwäsche vorgeworfen. Die Großrazzia mit Codenamen „Pollino“ (Hendl) ging unter Koordination der europäischen Justizbehörde Eurojust über die Bühne.

Osteria-Wirt im Visier

Einer der Hauptverdächtigen wurde in Pulheim bei Köln am frühen Morgen aus dem Schlaf gerissen. Der 45-Jährige besitzt eine gemütliche Osteria in der  54.000 Einwohner zählenden Stadt im Rheinland.  Das Hauptgeschäft des Gastwirts soll den deutschen Ermittlern zufolge aber der Kokainhandel „in sehr, sehr umfangreichen Maße“ gewesen sein. 

Bei der internationalen und großangelegten Razzia gegen Mitglieder der italienischen Mafiaorganisation 'Ndrangheta sind am Mittwoch rund 90 Tatverdächtige festgenommen worden, es wurden bis zu 4000 Kilogramm Kokain sowie 140 Kilogramm Ecstasy-Pillen beschlagnahmt.

Verdächtige Pferdetransporter

Auf die Spur der mutmaßlichen Mafia-Mitglieder sind die deutschen Ermittler nach eigenen Angaben durch den Fund von massenweise Kokain in einem präparierten Pferdetransporter gekommen. Der Transporter sei vor zwei Jahren im britischen Fährhafen Harwich sichergestellt worden. Den mutmaßlichen Mafiosi werden bisher mindestens 23 solcher Transporte von jeweils 80 Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach England zur Last gelegt, wie die Kölner Polizei mitteilte.

In Nordrhein-Westfalen (NRW) hatte die Polizei nach Angaben der Kölner Ermittler insgesamt 23 Objekte, darunter Pizzerien und Eissalons, durchsucht;  außerdem vier weitere in Berlin, vier in Thüringen, zwei im belgischen Verviers und zwei Objekte auf der spanischen Insel Mallorca. In NRW und Berlin wurden sieben Tatverdächtige verhaftet.


Unter dem Namen „Falabella“ (der Name einer Pferderasse) hatte eine Ermittlergruppe beim Kölner Kriminalkommissariat verdeckt ermittelt. „Das Verfahren richtet sich gegen italienische und deutsche Staatsangehörige im Alter zwischen 33 und 68 Jahre“, teilte die Polizei weiter mit.


Bereits Anfang des Jahres waren bei einer Großrazzia gegen einen mächtigen ’Ndrangheta-Clan in Deutschland sowie in mehreren Regionen Italiens 169 Personen festgenommen worden.

Deutsches Standbein

In Deutschland sind die kalabresischen Mafiosi sehr aktiv. Die ’Ndrangheta, warnen Experten, haben in Deutschland bereits  ähnliche Strukturen aufgebaut wie in Italien.

So gingen die Mafia-Morde im August 2007 in Duisburg auf ihr Konto: Sechs Menschen waren dort vor einer Pizzeria erschossen worden. Auslöser war ein Streit zwischen zwei Clans.

Üblich sind offen ausgetragene, blutigen Fehden mittlerweile längst nicht mehr. Sie agieren heimlich, still und leise. Mafiosi mit Uni-Abschluss infiltrieren wichtige Organisationen und Unternehmen, warnte Italiens Anti-Mafia-Staatsanwalt Federico Cafiero de Raho: „Wenn wir glauben, wir haben die ’Ndrangheta ausgehoben, dann täuschen wir uns.“ Europa müssen sich viel besser für den Kampf gegen die Mafia rüsten,  Daten sammeln und austauschen.

Mächtigste Mafia Italiens

Die ’Ndrangheta, die in Kalabrien in der Stiefelspitze Italiens vis-a-vis von   Sizilien beheimatet ist, gilt mittlerweile als mächtigste der italienischen Mafiaorganisationen – und zu den mächtigsten der Welt. Die ’Ndrangheta dominiert den internationalen Drogenschmuggel nach Europa;  mischt aber auch im Waffenhandel mit, versteht sich auf Geldwäsche und  Korruption.

Experten zufolge verzeichnet die  ’Ndrangheta, die längst über die Grenzen Italiens aktiv ist, über einen jährlichen Umsatz von 50 bis 100 Milliarden Euro. Laut FBI zählt sie 6000 Mitglieder in 160 Clans, die über Familienverbande miteinander zusammenhängen.

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