"Gottkanzler" Schulz und die Mühen der Ebene
"Was macht Martin Schulz denn eigentlich?"
Diese Frage stellt sich das politische Berlin derzeit öfter, selbst in Zeitungen ist sie zu lesen: Der SPD-Kanzlerkandidat, wahlweise als "Gottkanzler" oder als "Mister 100 Prozent" apostrophiert, war ja wochenlang beherrschendes Thema. Seit einiger Zeit ist es aber still um ihn; Berichte über Wahlkampf-Aufritte in der Provinz samt jubelnden Genossen fehlen.
CDU steigt, SPD sinkt
Was ist passiert? Nichts, heißt es in der SPD; der Wahlkampf sei lang, und jeder brauche mal eine Pause . Dass zeitgleich die Umfragewerte der SPD sinken und die der CDU nach oben gehen, kommentiert man weniger gern. Merkels Partei ist mittlerweile auf 36 Prozent geklettert und liegt damit sechs Punkte vor der SPD. Auch im Direktvergleich gewinnt Merkel wieder: Lag Schulz im Februar deutlich vor ihr, wünschen sich laut jüngstem Deutschlandtrend wieder mehr Wähler Merkel als Kanzlerin.
Erklärungen dafür gibt es einige. Zum einen ist es nur logisch, dass jede Euphorie verfliegt. Zum anderen hat die SPD aber leidige Erfahrung darin, sich selbst zu berauschen – und dabei zu täuschen: Man fürchtet, dass der Schulz-Hype wie jener um Peer Steinbrück endet, der 2013 als "Mann der Stunde" und "der Richtige für schwierige Zeiten" gehandelt wurde, – er vergaloppierte sich, weil er über die schlechte Kanzler-Bezahlung lamentierte und üppige Honorare für Reden verrechnete.
Kratzer befürchtet
Freilich, Martin Schulz’ Geschichte und seine sozialpolitische Themensetzung weisen in eine andere Richtung. Gerade deshalb scheint es verständlich, dass die Partei die am Donnerstag formulierte Rüge des EU-Parlaments nur als "Wahlkampfmanöver" abtut: Schulz, einst Präsident der Institution, wurde für seine Personalpolitik und den "kritikwürdigen" Umgang mit Steuergeld gemaßregelt. Anlass waren Sonderzahlungen für Mitarbeiter und eine Ausnahme für einen Vetrauten, der in Berlin arbeitete; ihn schickte Schulz formal von Brüssel auf "Dauerdienstreise" – samt Zulage und Taggeldern.
So etwas sorgt gern für Kratzer am Image. Zwar ist die Geschichte mit der Rüge vorerst erledigt, denn juristisch lief alles korrekt; ob sie sich aber auf Schulz’ Beliebtheit auswirkt, wird man bei den anstehenden Landtagswahlen sehen. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist die CDU der SPD jedenfalls überraschend nahe gekommen. Bei den Genossen beruhigt man: "Man weiß nie, ob aus Stimmungen am Ende auch Stimmen werden", sagte Ralf Stegner, Chef der SPD in Schleswig-Holstein – ein Satz, der jedoch genauso für Schulz gelten könnte.
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