EU-Wahl: Noch 100 Tage bis zur "Testwahl"
100 Tage sind es am Freitag noch bis zur EU-Wahl. Die interessiert die Wähler - seit 1999 beteiligten sich keine 50 Prozent mehr - zwar traditionell wenig. Dennoch gilt der Urnengang am 26. Mai als Testwahl. Denn er ist der einzige bundesweite zwischen den Nationalratswahlen 2017 und 2022. Die großen Parteien haben ihre Spitzenkandidaten schon in Stellung gebracht, erste Wahlkampftöne sind zu hören.
Für fast alle Parteien ist die Ausgangslage heuer eine andere als 2014: Die ÖVP tritt jetzt als Kanzlerpartei an, den (seit 2009 gehaltenen) ersten Platz zu verteidigen - mit einem höchst EU-kritischen Koalitionspartner FPÖ, der auf Europaebene mit Rechtspopulisten wie der Le Pen-Partei zusammenarbeitet und mit der deutschen AfD liebäugelt. Auf die innenpolitisch demonstrierte Harmonie verzichtet die Regierung in diesem Wahlkampf bewusst. Das sieht man auch an ersten Geplänkeln zwischen den Spitzenkandidaten Othmar Karas (ÖVP) und Harald Vilimsky (FPÖ).
Wahl als Standbestimmung für SPÖ
Zur "Testwahl" für Türkis-Blau hat die SPÖ die EU-Wahl ausgerufen. Eine solche ist es auch für die Sozialdemokraten selbst - ist es doch der erste überregionale Urnengang unter der neuen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Spitzenkandidat Andreas Schieder - früher Klubobmann - hat sich die Latte mit "mehr Stimmen" nicht allzu hoch gelegt. Aber die Chance der jetzigen Oppositionspartei, den 2009 verlorenen ersten EU-Wahl-Rang zurückzuholen, scheint auch nicht allzu groß.
In den ersten Umfragen liegt die SPÖ knapp (mit 26 zu 27 Prozent), aber doch beständig hinter der ÖVP - und deutlich vor der FPÖ, die allerdings mit einem Zuwachs auf 22 bis 23 Prozent rechnen kann. 2014 landete die ÖVP mit 26,98 Prozent deutlich vor der SPÖ (24,09 Prozent), beide stellen fünf EU-Abgeordnete. Die FPÖ blieb knapp unter 20 Prozent (19,72), was vier Mandate bedeutete.
Rennen um das Vermächtnis der Grünen
Nicht nur ein Test, sondern schicksalsentscheidend könnte der 26. Mai für die Grünen und die Liste Jetzt des grün-abtrünnigen Peter Pilz werden. Wenn die Grünen nach dem Nationalrat auch noch aus dem EU-Parlament fliegen, ist ihr politisches Überleben zweifelhaft. Parteichef Werner Kogler hat sich denn auch selbst als Spitzenkandidat in die Schlacht begeben. Sie wird ihm alles andere als erleichtert dadurch, dass "Jetzt" seinen früheren Parteikollegen Johannes Voggenhuber als Listenersten ins Rennen schickt. Die erst 2017 gegründete Partei hofft, sich mit dem bekannten langjährigen Grün-EU-Abgeordneten an der Spitze nachhaltig zu etablieren.
Nach den bisher vorliegenden Umfragen kann Kogler allerdings auf einen Sieg hoffen: Auf fünf bis sieben Prozent stehen die Grünen, damit wäre der Verbleib im EU-Parlament gesichert - allerdings deutlich geschmälert gegenüber dem Rekordergebnis von 14,52 Prozent (drei Mandate) aus 2014. Die Liste Jetzt müsste hingegen noch deutlich zulegen: In der ersten Umfrage nach Voggenhubers Nominierung kam sie auf vier Prozent - und das ist etwas zu wenig für ein EU-Mandat. Dafür sind über vier Prozent nötig, werden doch nur 19 (heuer eines mehr wegen des Brexit) verteilt.
NEOS klar auf Platz 4
Vergleichsweise gelassen können die NEOS in die EU-Wahl ziehen - und sie tun das als einzige der etablierten Parteien mit einer Frau, Claudia Gamon, an der Spitze. Die Pinken haben sich 2017 souverän im Nationalrat gehalten, waren 2018 bei allen drei Landtagswahlen erfolgreich - und können sicher mit dem Verbleib im EU-Parlament rechnen. In den Umfragen stehen sie derzeit mit neun bis zehn Prozent klar auf Platz 4, das könnte auch für ein zweites Mandat reichen. 2014 holten sie mit 8,14 Prozent einen EU-Sitz.
Sicher ist für ÖVP, SPÖ, FPÖ, NEOS, Grüne und "Jetzt", dass sie am Stimmzettel stehen. Ihnen reichen dafür die Unterschriften von drei Nationalrats- oder einem EU-Abgeordneten. Auch einige andere kleine Parteien wären gerne dabei - die KPÖ, die Demokratische Alternative und die beiden EU-Gegner "EU-NEIN" und "EU-Austrittspartei". Sie müssen zwischen 12. März und 12. April Unterschriften von 2.600 Wahlberechtigten sammeln. Denn nur Parteien, die spätestens am 12. April um 17.00 Uhr einen ausreichend unterstützten Wahlvorschlag beim Innenministerium einreichen, dürfen an der Wahl teilnehmen.
Spätestens bis 12. März aktiv werden müssen Bürger anderer EU-Staaten, aber auch Österreicher und Auslandsösterreicher, die ihren Wohnsitz seit der vorigen Wahl verändert haben und am 26. Mai in Österreich wählen wollen. Denn sie müssen sich - per Antrag bei der betreffenden Gemeinden - darum bemühen, bis zu diesem Stichtag in der Europa-Wählerevidenz ihrer (letzten) Hauptwohnsitz-Gemeinde zu stehen.
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